Rutschgefahr auf Berliner Radwegen: Salz gegen Glätte – und Blätter

Der Senat will Winterdienst mit Salz auf Radwegen testen – BaumschützerInnen sind besorgt.

Neuschnee und Glatteis behindern die Verkehrsteilnehmer auf den Straßen der Hauptstadt.

Fahr­rad­fah­re­r*in­nen wird es freuen: Die Stadt testet Streusalz auf Radwegen Foto: dpa/Wolfgang Kumm

BERLIN taz | Der Senat will Radwege im Rahmen eines Pilotprojekts mit Salz von Glätte befreien. Diesen Beschluss betrachtet der Baumexperte des BUND Berlin, Christian Hönig, mit gemischten Gefühlen. Salz sei „Gift für die Bäume“, sagte er der taz. Er sei aber froh, dass es einen wissenschaftlich ausgewerteten Versuch gebe.

Der Senat hatte auf seiner Sitzung am Dienstag eine Vorlage von Klima-, Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) zur Änderung des Straßenreinigungsgesetzes beschlossen. Ziel ist laut Senatskanzlei, Winterglätte auf Radwegen künftig zu verhindern. Das Pflanzenschutzamt werde den Pilotversuch auf ausgewählten Hochbordradwegen begleiten.

Dabei handelt es sich um „klassische“ Radwege, die im Gegensatz zu Radspuren auf der Fahrbahn oberhalb des Bordsteins neben dem Gehweg verlaufen. In Berlin weisen viele noch altes Verbundpflaster auf, die meisten entsprechen auch nicht den Anforderungen des Mobilitätsgesetzes. Andere Hochbordwege sind bereits breiter und asphaltiert.

Salz kann den Straßenbäumen schaden

Eine begriffliche Verwirrung ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen „Streusalz“ und „Sole“, wie sie auch die Verkehrsverwaltung vornimmt. Dabei ist die abtauende Substanz in beiden Fällen Kochsalz (Natriumchlorid), in der Sole ist es lediglich bereits gelöst. Die Ausbringung von Sole auf Fahrbahnen gilt als umweltverträglicher, weil dabei meist weniger Salz zur Anwendung kommt. Hochbordradwege, von denen ein Teil des Niederschlagswassers direkt in die Baumscheiben läuft, werden bislang jedoch überhaupt nicht mit Salz behandelt.

„Wir warnen seit Jahren vor diesem Vorschlag, und ich freue mich zumindest, dass das Zeug jetzt nicht gleich über ganz Berlin ausgekippt wird“, sagt Christian Hönig. Chloridionen, wie Streusalz sie abgibt, seien für Straßenbäume bis zur Trockenheit der vergangenen Jahre „Killer Nummer eins“ gewesen. Beide Faktoren zusammen seien „eine absolute Katastrophe“. Je weniger es regne, desto mehr Salz werde im Boden gespeichert. Während der Wachstumsphase im Frühjahr „ziehen die Bäume dann hoch, was sie bekommen“.

Auch dass die Winter mit dem Klimawandel tendenziell wärmer werden, ändere nichts an der Problematik, sagt der Experte: Die Straßen seien dann sogar häufiger feucht und könnten nachts oder am frühen Morgen überfrieren, weshalb ein Winterdienst notwendig werde.

Es gibt Maßnahmen zum Schutz der Bäume

Laut Hönig gibt es aber auch Optionen, die drohende Salzbelastung zu reduzieren. Wenig hält er vom Einsatz alternativer chemischer Substanzen – „damit würden wir nur wieder Stoffe in die Umwelt einbringen, die dort nichts zu suchen haben“. Kochsalz lande zumindest am Ende der Kette im Meer, wo es ohnehin in Fülle vorhanden sei.

Nachzudenken sei über eine bauliche Trennung, also eine Art Schutzwall um die Baumscheiben. Das sehe allerdings schlecht aus und könne auch Unfallrisiken bergen. Chancen sieht Hönig in der Vergrößerung von Abständen: „Ab 1,50 Meter, idealerweise 2 Meter und mehr, nimmt die Einwirkung durch Streusalz in den Boden signifikant ab.“

Der BUND fordert seit Langem einen „Frühjahrsdienst“ für Straßenbäume. Üppige Wässerung und Düngung verringere das Risiko einer zu hohen Salzaufnahme deutlich.

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