Olympia 2022 – Dabei sein verboten (7): Zwei Gesichter

Die uigurische Professorin Gulnar Obul kritisierte die chinesische Regierung und verschwand. Nun lobt sie die Machthaber. Man ahnt Schlimmes.

Polizist überwacht Straße zu einem Lager in Xinjiang

Ein Polizist in Yining patrouilliert vor einem der viel kritisierten Internierungslager in Yinjiang Foto: Thomas Peter/File Photo

Niemand möchte in diese Situation geraten: verschleppt, gefoltert und erpresst zu werden. Und nur freizukommen, wenn man öffentlich im Brustton der Überzeugung behauptet, was die Peiniger verlangen: das Gegenteil von dem zu sagen, was man vorher gesagt hat. Und damit politischen Freun­d*in­nen in den Rücken zu fallen und seine eigene Reputation zu zerstören, sodass man vor Scham nicht mehr in den Spiegel sehen kann.

Ein mutmaßliches Beispiel für den in China nicht ungewöhnlichen Fall ist die uigurische Professorin Gulnar Obul. Manche sehen ihre öffentliche 180-Grad-Wende nach mehrwöchigem „Verschwinden“ als Muster für den Fall des Tennisstars Peng Shuai und deren zweifelhaften Aussagen, nachdem sie einen Exvizepremier des sexuellen Übergriffes beschuldigt hatte.

Die Literaturprofessorin Gulnar Obul verschwand im September 2018 spurlos. Ihr Eintrag auf der Uni-Webseite war auch gelöscht worden, so wie der drei weiterer verschwundener Lehrkräfte. Zuvor hatte Gulnar Obul in einem Interview mit einer wissenschaftlichen Zeitschrift Chinas Regierung für ihre Politik gegenüber den Uiguren kritisiert. Deren Vorgehen, bei dem laut Menschenrechtsorganisationen Hunderttausende Uiguren in sogenannte Umerziehungslager gesteckt wurden, nannte sie „übertrieben“.

Pekings Beamten in Xinjiang warf sie vor, den Islam und seine Traditionen nicht zu kennen. Dort könnten doch nicht für alle Probleme „ex­treme religiöse Kräfte“ verantwortlich gemacht werden. Ihr und den anderen drei uigurischen Pro­fes­so­r*in­nen soll vor dem jeweiligen Verschwinden vorgeworfen worden sein, äußerlich der Regierung Loyalität zu zeigen, aber in Wirklichkeit gegen sie zu arbeiten.

Gulnar Obul auf einem Podium mit Mikrofon

Gulnar Obul bei einem Vortrag Foto: Archiv

Ab 2021 trat Gulnar Obul dann plötzlich bei Veranstaltungen der Regierung auf und vertrat zu 150 Prozent deren Linie. So behauptete sie am 1. Februar – ähnlich wie später Peng Shuai –, sie sei nie gefangengehalten worden. So verwahrte sie sich dagegen, in einer norwegischen Datenbank mit über 5.000 gefangenen Uiguren geführt zu werden.

Uigurischen Separatisten warf sie Lügen vor, um damit China schlecht darzustellen. Laut dem US-Sender Radio Free Asia lobte sie China vor dem UN-Menschenrechtsrat dafür, mehr als 300 uigurische Dörfer und Distrikte aus der Armut geholt zu haben, was in dem Satz gipfelte: „Alle Ethnien sind so harmonisch zusammen wie die Kerne von Granatäpfeln.“ Sie verurteilte den in München ansässigen Uigurischen Weltkongress und ein Uiguren-Tribunal in London.

Auch bei Gulnar Obul gibt es wie bei Peng Shuai viele Mutmaßungen und letztlich kaum Gewissheit.

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