Kongos Präsident unter Druck: Putschgerüchte und Unruhen

Felix Tshisekedi lässt seinen obersten Sicherheitsberater Francois Beya wegen „Verschwörung“ verhaften. Verdacht geht in Richtung Expräsident Kabila.

Kongos Präsident Felix Tshisekedi beim AU-Gipfel in Addis Abeba, Samstag

Kongos Präsident Felix Tshisekedi beim AU-Gipfel in Addis Abeba, Samstag Foto: Tiksa Negeri/reuters

Droht in der Demokratischen Republik Kongo ein Militärputsch von Getreuen des früheren Präsidenten Joseph Kabila gegen Staatschef Felix Tshisekedi? Dieser Überzeugung waren am Sonntag jedenfalls jugendliche Aktivisten von Tshisekedis Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), die sich in der Hauptstadt Kinshasa Straßenschlachten mit der Polizei lieferten.

Wie in alten Zeiten wollten sie eine symbolische Territorialherrschaft rund um die UDPS-Parteizentrale und das Anwesen ihres Helden Etienne Tshisekedi errichten, verstorbener Vater des Präsidenten und jahrzehntelang Anführer der kongolesischen Demokratiebewegung. Die Polizei trieb sie mit Tränengas auseinander, aber nicht bevor sie Autos angezündet hatten.

Am Samstag war Präsident Tshisekedi vorzeitig vom Jahresgipfel der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba zurückgereist, bei dem er eigentlich den Vorsitz innehatte. Grund: Die Verhaftung seines obersten Sicherheitsberaters Francois Beya durch den Militärgeheimdienst.

Beya, einer der letzten noch in hoher Position amtierenden Parteigänger Kabilas in Tshisekedis Umfeld, wird unter dem Vorwurf der „Verschwörung“ festgehalten. Unbestätigten Berichten zufolge sollen auch mehrere Generäle in Gewahrsam sein.

Beya, in Kinshasa unter dem Spitznamen „Fantomas“ nach der französischen Filmfigur eines ebenso allmächtigen wie unsichtbaren Verbrechers bekannt, ist ein Veteran des Geheimdienstes und leitete jahrelang Kongos Migrationsbehörde, bevor er im Rahmen der Koalition zwischen Kabila und seinem Nachfolger Tshisekedi im Februar 2019 der höchste Sicherheitsberater des neuen Präsidenten wurde – eine Art Aufpasser aus der alten Garde.

Konflikt schien beruhigt

Tshisekedi, der die Wahlen von 2018 gar nicht wirklich gewonnen hatte, war damals zunächst Präsident von Kabilas Gnaden. Erst 2020 löste sich Tshisekedi von seinem Vorgänger, bildete eine eigene Regierungsmehrheit im Parlament und entließ die meisten Kabila-Amtsträger. Beya soll ihm dabei geholfen haben – wohl um selbst im Amt bleiben zu können.

Viele Kabila-Getreue sinnen seitdem auf Revanche und sind abgetaucht; manchen wird nachgesagt, weiterhin über gute Freunde im Sicherheitsapparat zu verfügen. Der Konflikt schien sich 2021 unter dem Eindruck der Covid-19-Pandemie beruhigt zu haben. Doch zuletzt haben zwei Entwicklungen die alte Kabila-Garde erneut aufgebracht.

Zum einen hat der Präsident das Nachbarland Uganda eingeladen, militärisch im Ostkongo gegen die ursprünglich ugandische Rebellengruppe ADF (Allied Democratic Forces) vorzugehen, was im Erfolgsfall Geschäftsbeziehungen zwischen Armeeoffizieren und der ADF aufdecken könnte.

Zum anderen hat Kongos Regierung Untersuchungen zugesagt, nachdem das internationale Rechercheprojekt „Congo Hold-Up“ das Ausmaß der jahrelangen Ausplünderung von Kongos Wirtschaft durch Kabilas Umfeld mit teils noch bestehenden kriminellen Strukturen offenbarte.

Alte Machtellite

Die alte Machtelite fühlt sich in die Enge getrieben. Öffentlich drückte dies Kabilas ehemaliger Chefdiplomat Kikaya Bin Karubi aus, der am 23. Januar auf Twitter schrieb, Felix Tshisekedi „missbrauche“ die „Vollmachten“, die man ihm „geschenkt“ habe: „Göttliche oder höllischen Prophezeiung, er kann seinen Undank noch korrigieren“.

Am Samstag legte Karubi nach und twitterte über ein „neues Afrika“ im Entstehen, wie man an den Putschen in Westafrika sehe: „Mit Unterstützung des Volkes ergreifen junge Offiziere die Macht (…) Kongo wird keine Ausnahme sein.“ Nach Beyas Verhaftung löschte Karubi seine Nachricht, aber der Schaden war angerichtet.

Die Verhaftung Beyas dürfte mit seiner andauernden Nähe zu Kabila zusammenhängen. Der Expräsident flog am 25. Januar nach Südafrika. Einem Bericht zufolge wies Tshisekedi den Geheimdienst an, Details über diese Reise herauszufinden, woraufhin sich Fragen in Richtung Beya gestellt hätten. Ein anderer Bericht sagt, ein bei der ugandischen Militäroperation festgenommener ADF-Führer habe über Putschvorbereitungen durch Kabila und Beya ausgesagt. Wieder andere Berichte verweisen auf angebliche obskure Bergbaugeschäfte.

In Kinshasa kursierende Berichte kolportieren, Beya sei am Samstag mittag vom neu ernannten Geheimdienstchef Jean-Hervé Mbelu persönlich festgenommen worden. Der sei mit Bewaffneten mittags in Beyas Residenz erschienen, als der Sicherheitsberater, der wegen schlechter Gesundheit länger im Bett geblieben war, sich gerade unter der Dusche befand. Immerhin habe er sich anziehen dürfen, bevor er mitgenommen wurde, hieß es weiter.

Kein offizielles Wort

Hoffnung können Tshisekedis Gegner aus dem Umstand schöpfen, dass das Militärbündnis mit Uganda nicht besonders gut funktioniert. Die ADF hat am vergangenen Mittwoch in der Grenzregion Watalinga mit einem tödlichen Angriff Tausende Zivilisten in die Flucht getrieben; wenige Tage später folgte ein Bombenanschlag in der Stadt Beni mit sechs Verletzten

Weiter nördlich, in der Provinz Ituri, tötete die Miliz Codeco (Kooperative zur Entwicklung des Kongo) am Dienstag 62 Angehörige der Hema-Volksgruppe, davon 17 Kinder, bei einem brutalen Massaker im Vertriebenenlager Bule. Manche der Opfer wurden mit Macheten regelrecht zerstückelt. Die Empörung darüber schlug beim Massenbegräbnis am Freitag hoch, von „Völkermord“ war die Rede.

Am Sonntag befand sich Beya weiterhin in Gewahrsam des Geheimdienstes. Truppenbewegungen wurden aus Kongos zweitgrößter Stadt Lubumbashi im Süden des Landes gemeldet. Von offizieller Seite gab es nach wie vor kein Wort über die Entwicklungen.

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