BDSM als Empowerment: Submissiv kann feministisch sein

Seine eigene Lust bewusst und einvernehmlich auszuleben, ist ein feministischer Move. Auch, wenn man als Frau die unterwürfige Rolle wählt.

Ein femininer Hals mit Perlenkette und Halsband

Sowohl der dominante Part als auch der submissive Part haben Macht Foto: Tuomas Marttila/plainpicture

In den raren Gesprächen, die ich mit Freundinnen über sexuelle Vorlieben habe, zeigt sich oft eine Scham, die ausgerechnet aus feministischen Überlegungen zu entspringen scheint. Und zwar vor allem, wenn es um BDSM-Praktiken geht. Immer wieder kommt die Frage auf: Ist es unfeministisch, wenn ich als Frau beim Sex gerne dominiert werde? Wenn ich darauf stehe, mich spanken zu lassen, gefesselt zu werden, in Dominanzspielen die submissive Rolle einzunehmen oder einfach beim Sex passiv zu sein?

Meine Antwort darauf ist: Nein. Erst einmal vorweg: Ja, unsere sexuellen Vorlieben und Fantasien sind – wie alles – auch von der Gesellschaft geprägt, in der wir leben. Dass ich vor allem Heterofrauen kenne, die auf Unterwerfung stehen, ist sicher ebenso wenig Zufall, wie dass die Kunden von Dominas oft mächtige ältere Männer sind. In der Gegenwart sind unsere Vorlieben aber erst einmal, wie sie sind. Das feministischste, was wir tun können, ist, ihnen die Wertung zu nehmen und sie uns bewusst zu eigen zu machen. Dazu ist erst einmal wichtig anzuerkennen: Dominanz und Submission sind zwei Rollen, die für BDSM-Spiele gleichermaßen wichtig sind. Je­de:r sollte sich seine Rolle frei aussuchen, sie wechseln oder beibehalten können, unabhängig vom Geschlecht.

Außerdem kann es hilfreich sein, unsere Lesart der verschiedenen Rollen zu verändern. Ich bin der Meinung, dass sowohl in aktiven oder dominanten, als auch in passiven oder submissiven Rollen eine große Macht liegt. Wer sich beispielsweise fesseln lässt, ist die Person, die verwöhnt wird, deren Wünsche erfüllt werden, die vielleicht genaue Anweisungen gibt, was sie jetzt möchte und was nicht. Darin liegt ein großes Machtgefühl. Gleichzeitig kann diese Person die Kontrolle abgeben, was sehr entlastend und sexy sein kann. Gerade für Menschen, denen das Annehmen sonst schwerer fällt als das Geben, kann diese Rolle dabei helfen zu entspannen – schließlich kann man gerade nichts für die andere Person tun, man ist ja gefesselt.

Wer fesselt, kümmert sich ganz um die andere Person. Gleichzeitig erzeugt es ein Gefühl von Macht, jemand anderem Lust bereiten zu können und die Kontrolle darüber zu haben, wann und wie viel. Auch in Disziplin-, Erniedrigungs- und Bestrafungsszenarien geht es immer darum: Der dominante Part tut, was er tut, weil der submissive Part es so will.

Was auch immer uns Lust bereitet – sich dessen bewusst zu werden und es uns auf einvernehmliche Weise zu gönnen, ist ein feministischer Move. Vor allem für Menschen, deren Sexualität über Jahrhunderte hinweg marginalisiert wurde, wie beispielsweise queere und kinky Menschen und Frauen im Allgemeinen. Letzteren wurde lange abgesprochen, überhaupt eigene Lust zu empfinden, oder sie wurde mit großer Scham belegt. Egal, ob wir darauf stehen, uns auspeitschen oder anspucken zu lassen oder das mit anderen zu tun – das einzig unfeministische daran wäre, uns unsere Lust schon wieder zu verbieten.

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Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

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