Blinder Syrer im bayerischen Kirchenasyl: Abschiebung ist vom Tisch

Mheddin Saho erhält nach sechs Monaten im Kirchenasyl ein reguläres Asylverfahren. Sonst wäre er nach Spanien abgeschoben worden.

Mheddin Saho samt Zieheltern

Mheddin Saho und seine Zieheltern Gisela und Gernard Zierer Foto: Patrick Guyton

MÜNCHEN taz | Ein sehr gut gelaunter Mheddin Saho sagt am Montag während seines Mittagessens bei einem Telefonat: „Jetzt habe ich wirklich Hoffnung. Das erste Mal richtig, seit ich in Deutschland bin.“ Seit drei Jahren bemüht sich der 28 Jahre alte blinde Syrer schon darum, als Flüchtling anerkannt zu werden und eine Perspektive zu erhalten. Nun ist diese da, nach sechs Monaten im Kirchenasyl hat Saho die Frist gemäß dem Dublin-Abkommen überschritten und erhält ein reguläres deutsches Asylverfahren.

Davor wäre er nach Spanien abgeschoben worden. Denn ursprünglich war er von dort nach Deutschland eingereist. Mheddin Saho kam im Frühjahr 2019 nach Rottenburg an der Laaber in Niederbayern, weil dort schon sein Cousin lebte. Er freundete sich mit dem Ehepaar Gisela und Gerhard Zierer an, die in der Flüchtlingshilfe und in einer freikirchlichen Gemeinde aktiv sind.

Ihre eigenen vier Kinder sind schon erwachsen, so haben sie Saho in ihr Haus aufgenommen. „Mheddin ist zu unserem Adoptivsohn geworden“, sagt Gisela Zierer. Zugleich studierte er, der perfekt Arabisch, Türkisch und Englisch spricht, an der Münchner Uni Sprachen im Master-Studiengang. Seine herausragenden Fähigkeiten sind bei ProfessorInnen und Mitstudierenden anerkannt, er ist bestens integriert.

Allerdings beharrte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) darauf, dass er nach Spanien ausreisen muss. Zu einem traumatisierenden Erlebnis kam es am 22. Juli 2019: Am frühen Morgen kamen vier Polizisten ins Haus, um ihn zu holen. Der Abschiebeflug wäre um 10.55 Uhr gewesen. Mheddin Saho war allein, er ging mit. Auf seinem Platz im Flugzeug rief er: „Helft mir, ich soll abgeschoben werden.“ Passagiere verständigten den Piloten, dieser weigerte sich, den blinden Mann zu transportieren.

Albträume wegen des Abschiebeflugs

Saho erzählt, dass er durch dieses Erlebnis bis jetzt schlecht schläft und Albträume hat. Als auch das Verwaltungsgericht Regensburg seine Klage auf ein reguläres Asylverfahren in Deutschland ablehnte, entschied er sich nach Beratung mit den Zierers und Unterstützerkreisen zu sechs Monaten Kirchenasyl. An welchem Ort dieses gewährt wurde, ist unbekannt. Die Kirchen sind diesbezüglich sehr verschwiegen, um die Flüchtlinge nicht zu gefährden.

Die Behörden waren aber über alles unterrichtet und hielten sich an die Vereinbarung, niemanden mit Gewalt aus dem Kirchenasyl rauszuholen. Auch Journalisten waren informiert, wurden aber sehr dringend gebeten, in dieser Zeit „die Füße stillzuhalten“, wie Gisela Zierer sagte. In dieser heiklen Phase des Falles wäre Berichterstattung nicht gut für Saho gewesen, meinten die Beteiligten.

Nun besorgt sich Mheddin Saho wieder vorläufige Ausweispapiere. Er kann es kaum erwarten, in der kommenden Woche an die Uni zurückzukehren und weiter an seinem Master zu arbeiten. Nach Angaben der Behörden sollte sein Asylverfahren in etwa vier Wochen abgeschlossen sein. Die Mehrzahl der syrischen Flüchtlinge erhält hier aufgrund der Zustände in ihrer Heimat einen Schutzstatus, es gibt fast keine Ablehnungen.

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