Offener Brief von Entwicklungs-NGOs: Kritik an Habecks Patentwende

Hilfsorganisationen sind empört: Anders als im Wahlkampf gefordert, will der Wirtschaftsminister die Patente der Corona-Impfstoffe nicht freigeben.

Robert Habeck gestikuliert während einer Pressekonferenz

Ein Bündnis von ­Nichtregierungsorganisationen widerspricht Robert Habeck vehement Foto: Kay Nietfeld/dpa

BERLIN taz | Mit einer Kehrtwende beim Thema Coronapatente hat Robert Habeck zahlreiche entwicklungspolitische Organisationen gegen sich aufgebracht. Während Habeck als Grünen-Chef im Wahlkampf noch explizit gefordert hatte, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe auszusetzen, um ärmeren Ländern einen besseren Zugang zu sichern, lehnt er dies in seiner neuen Funktion als Wirtschaftsminister ab.

Nach Gesprächen mit den Herstellern sei er nun überzeugt, dass eine Patentfreigabe „nicht helfen würde“, hatte Habeck Ende Januar in einer Pressekonferenz erklärt. Als Grund nannte er den komplizierten und langwierigen Aufbau von Produktionskapazitäten. Das sei „deutlich praxistauglicher“ als die Patentfreigabe, die von über 100 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation gefordert wird, darunter auch die USA.

Stattdessen setzt Habeck jetzt darauf, „mit den produzierenden Unternehmen eine Verabredung zu treffen, dass für diese Länder die Impfstoffe zum Selbstkostenpreis abgegeben werden“, und „ein Finanzinstrument zu entwickeln, um diesen Selbstkostenpreis zu sponsern“.

Bei dem Bündnis von ­Nichtregierungsorganisationen (NGOs), zu dem unter anderem Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt, Medico International, One und Oxfam gehören, stößt das auf Widerspruch. Anders als von Habeck dargestellt sei die Produktion von mRNA-Impfstoffen nicht kompliziert; vielmehr handele es sich „um einen synthetischen Prozess, der die Standardisierung und damit den Transfer auf weitere Produktionsstätten in kurzer Zeit enorm vereinfacht“, schrieben sie am Donnerstag in einem offenen Brief an den Minister (hier als pdf).

Kostengünstige Impfstoffe zu sponsern sei zudem keine Lösung für das Problem, dass die Produk­tionskapazitäten zu gering sind, schreiben die Organsationen: „Impfstoffe durch eigens eingerichtete Finanzierungsinstrumente zu finanzieren, kann keine ausreichende Impfstoffversorgung sicherstellen.“

Nur mit der Industrie gesprochen

Verwundert zeigen sich die NGOs, von denen viele traditionell enge Drähte zu den Grünen haben, dass Habeck vor seiner Positionsänderung nur mit den Herstellern gesprochen hat. „Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die teilweise seit Jahrzehnten zu Zugang zu Gesundheitstechnologien und damit auch zu produktionshemmenden geistigen Eigentumsrechten arbeiten, erwarten wir gerade von Ihrer Partei, dass nicht nur die Industrie, sondern auch wir als Ver­tre­te­r*in­nen der Zivilgesellschaft in Konsultationen einbezogen werden“, heißt es in dem Brief.

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