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Es geht steil nach oben

Das RKI hat verschiedene Modelle berechnet, wie die Omikronwelle verlaufen könnte. Kontaktreduktionen und Impfungen könnten eine Überlastung der Kliniken verhindern

Nebelige Aussicht auf einem Sessellift im sächsischen Vogtland: Trotz Rekordzahlen kann man in diesem Winter Ski fahren Foto: Jan Woitas/dpa

Aus Berlin Gereon Asmuth

Die Zahlen wirken gigantisch. Bis 1. April könnten in Deutschland 16,5 Millionen Infektionen mit Omikron registriert werden. Zum Vergleich: Erst am Mittwoch war die insgesamt zehnmillionste Corona-Infektion seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren verzeichnet worden. Doch nun sind für Februar und März als Spitzenwert rund 300.000 Neuinfektionen pro Tag erwartbar. Das Gute daran: Trotz dieser alles übersteigenden fünften Coronawelle könnte es am Ende gelingen, dass die Intensivstationen nicht überlastet werden.

All diese Zahlen gehen aus einer Studie zur Abschätzung der Omikron-Infektionswelle hervor, die das Robert Koch-Institut am Donnerstag veröffentlicht hat. Bei den Ergebnissen handelt es sich ausdrücklich nicht um Prognosen, betonen die Wissenschaftler des RKI. Die tatsächlichen Zahlen können je nach Verlauf auch deutlich niedriger oder noch viel höher ausfallen.

Die vor sechs Wochen begonnene Studie diene vor allem dazu, anhand eines vereinfachten Modells durchrechnen zu können, wie sich der Verlauf der Pandemie durch die Omikron-Variante verändert hat. Sie liegt dem Bundesgesundheitsministerium vor und ist Grundlage für politische Entscheidungen.

Anhand des RKI-Modells lässt sich zeigen, welche Faktoren ausschlaggebend sein können. Insgesamt wurden 180 Szenarien durchgerechnet. Je nach Annahme führen die Ergebnisse zu einer „breiten Streuung“, heißt es in der Studie. So könnte der Spitzenwert der täglichen Neuinfektion auch bei 450.000 liegen.

Als ein wichtiger Faktor hat sich die Wirksamkeit der Impfungen gegen Omikron herausgestellt. Ist diese niedrig, steigt die Zahl der Fälle doppelt so hoch wie bei einem hohen Wirkungsgrad. Wie effizient die Impfungen sind, kann aber noch nicht gesagt werden. Und es ist auch politisch nicht steuerbar.

Ein anderer wichtiger Faktor sind die Kontaktreduzierungen. Hier hat die Politik Handlungsspielräume. Ein kurzer, harter Lockdown schon im Januar, so zeigt das RKI-Modell, hätte nach hinten losgehen können. „Eine frühe, starke Kontaktreduktion kann zu einem starken Rebound-Effekt führen“, heißt es in der Studie. Die Omikronwelle wäre zwar später, dafür umso gravierender gekommen.

Als sehr effektiv erweist sich im RKI-Modell eine sechswöchige Reduzierung der Kontakte um 20 Prozent von Ende Januar bis Mitte März. Der Vorteil: Dafür bräuchte es nicht einmal große politische Vorgaben. Denn ein Fünftel weniger Kontakte als in der Zeit vor der Pandemie wurde bisher in der Regel allein durch freiwillige Zurückhaltung und Vorsicht der Bevölkerung erreicht.

Die Berechnungen zeigen: Ein kurzer, harter Lockdown im Januar hätte nach hinten losgehen können

Wenn durch die Diskussion um die Aufhebung aller Coronamaßnahmen in den skandinavischen Ländern und Forderungen nach einer Exitstrategie hierzulande der Eindruck entstünde, das Schlimmste sei vorbei, wäre das fatal. Denn wenn die Menschen auf jegliche Kontakt­reduzierung verzichten, schnellen die Kurven im RKI-Modell nach oben. Möglich wären dann nicht nur bis zu 600.000 Infektionen pro Tag. Es müssten am Ende auch wieder mehr als 4.000 Coronapatient:innen auf den Intensivstationen behandelt werden – und die Kliniken wären überlastet.

Und noch einen Unsicherheitsfaktor gibt es. Das RKI-Modell beruht auf der Annahme, dass durch Omikron nur 15 Prozent schwer erkranken im Vergleich zu den zuvor dominierenden Coronavarianten. Sollte der Wert am Ende höher liegen, gäbe es ein Problem auf den Intensivstationen.

Aktuell sind wir davon noch weit entfernt. Am Donnerstag wurden 2.262 Coronapatient:innen intensiv behandelt. Die Zahl der Neuaufnahmen steigt bereits seit zwei Wochen langsam, aber kontinuierlich an.