Influencertum und Muttersein: In der Welt der Mama-Blogs

Das Mama-Blog-Tribunal entscheidet, wie Parenting sein soll. Die Mischung aus Werbung und der Aufforderung, richtig zu erziehen, ist gefährlich.

Eine Mutter kuschelt mit ihrem Baby

Glücklich nur mit der richtigen Trinkflasche Foto: Panthermedia/imago images

Eine meiner besten Freun­d*in­nen hat Nachwuchs bekommen. Was soll ich sagen? Cuuute! Falls die verschwörerische, rassistische und antisemitische Theorie der „Umvolkung“, von der Rechtsex­treme so oft schwafeln, doch wahr sein sollte: Das Ersetzen des Abendlands durch BPoC-Babys ist sehr knuffig.

Seit Monaten lese ich also Mama-Blogs über Schwangerschaftstee, die Saugkraft von Windeln und pädagogisch wertvolles Spielzeug. Genauso lange brodelt in mir diese Kolumne: Was läuft bei so vielen Mama-In­flu­en­cer*in­nen nur schief? Bevor ich diese Frage beantworte, möchte ich erwähnen, dass ich selbst keine Kinder habe und auch keine plane. Als kinderloser cis Mann über Parenting zu schreiben, ist gewagt, da ich aber meine Friends aktiv ermutige, an der sweeten „Umvolkung“ zu arbeiten, nehme ich mir jetzt mal das Recht heraus, einen Außenblick zu wagen.

Ich habe lange nachgedacht, was mich an den oft pastelligen Instagram-Profilen so einiger Mama-Influencer*innen am meisten stört. Ich konnte mich bisher nicht entscheiden. Da ist zum Beispiel die Glorifizierung traditioneller Geschlechterrollen. Zwar kann es aus meiner Sicht durchaus Teil von Queerness sein, traditionelle Geschlechterrollen für sich selbst zu wählen. Vater-Mutter-Kinder aber als Nonplusultra darzustellen, strahlt toxische 50er-Jahre-Vibes aus. Wenn der Ehemann der Mama-Bloggerin noch dazu gefeiert wird, weil er mal beim Abwasch geholfen hat: einfach nur wow!

Richtig cringe ist auch die Dauerwerbeschleife, in der viele In­flu­en­ce­r*in­nen gefangen zu sein scheinen. Werbung heißt auf Insta euphemistisch „Kooperation“. Ich verstehe, dass Bloggen Lohnarbeit sein kann. Müssen die eigenen Kinder für Hunderttausende Fol­lo­wer*­in­nen aber neben Produkten abgelichtet werden, die niemand braucht? Die Mischung aus Werbung und einer Aufforderung, riChTiG zu erziehen, ist gefährlich.

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Denn am schlimmsten ist dieser vorwurfsvolle Ton zwischen den Zeilen: Wenn du nicht Windel-Marke XY im Abo kaufst, bist du eine schlechte Mutter, nutze Rabattcode #WirZiehenDirDasGeldAusDerTasche für 10 Prozent Nachlass. Oder: Wenn du nicht reich geerbt hast und deinen Kindern mindestens einen tennisfeldgroßen Garten bieten kannst, musst du mal darüber nachdenken, ob du dein Parenting nicht optimieren solltest. Oder: Mehr als drei Sekunden Screen-Time für dein Kind ist schlecht und du solltest vor das Mama-Blog-Tribunal, wenn du eine ganze Folge Teletubbies erlaubst. Kauf lieber diesen Holzklotz für nur 199,99 Euro!

Meine frischgebackene Mama-Freundin ist natürlich die beste Mama – so wie alle Mamas, die mit den strukturellen Benachteiligungen unserer Gesellschaft zu kämpfen haben und unbezahlte Care-Arbeit leisten. Sie hat schnell aufgehört, die Blogs ernst zu nehmen und mir verboten, weiter darin zu lesen. Ich habe mich gefügt. Denn sie weiß es besser.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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