Apartheidsvorwurf gegen Israel: Glaubwürdigkeit verspielt

Amnesty International macht Israel Apartheid zum Vorwurf. Dem Bericht mangelt es an Sensibilität und Genauigkeit.

Zwei palästinensische Frauen zeigen einer israelischen Grenzpolizistin ihre Pässe

Grenzkontrolle für Palästinenser in Qalandiya, Westbank Foto: Baz Ratner/reuters

Der am Dienstag veröffentlichte Bericht von Amnesty International unter dem Titel „Israels Apartheid gegen die Palästinenser“ mag nicht antisemitisch motiviert sein. Doch er sollte angesichts von erneut wachsendem Antisemitismus mehr Sensibilität zeigen. Und Genauigkeit. Beides ist nicht der Fall.

Ein Bei­spiel:­ Laut Bericht würden sämtliche Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen unter Apartheid leiden, unabhängig davon, wo sie leben: im Westjordanland, im abgeriegelten Gaza oder als palästinensisch-israelische Staatsbürger in Israel. Auch die im Krieg 1948 Geflohenen oder Vertriebenen zählt die Menschenrechtsorganisation dazu.

Der Begriff Apartheid kann auf die Lebensbedingungen im Westjordanland angewandt werden, ohne dass es abwegig scheint: die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen leben dort seit 1967 unter israelischer Militärherrschaft. Jedoch zu behaupten, dass die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen in Israel unter einem Apartheidsregime leben, ist absurd – auch wenn auch sie ohne Frage unter Diskriminierung leiden.

Als Beispiel dafür dient das 2018 erlassene Nationalstaatsgesetz, nach dem Israel die „nationale Heimstätte des jüdischen Volkes“ ist und das Arabische als offizielle Sprache neben dem Hebräischen keinen Platz mehr hat. Doch die palästinensischen Israelis sind abgesehen davon den Gesetzen nach jüdischen Israelis völlig gleichgestellt, haben die israelische Staatsbürgerschaft und stellen unter anderem zwei Minister in der neuen Regierung.

Ein Detail, könnte man meinen. Doch auch wenn es natürlich Diskriminierung gibt, die Lebensbedingungen von Palästinensern über einen Kamm zu scheren, ist im besten Fall undifferenzierte Nachlässigkeit und im schlimmsten Fall Absicht – um ein möglichst dämonisches Bild von Israel herstellen zu können.

Amnesty International verspielt damit seine Glaubwürdigkeit und so könnte der Duktus des Berichts der Sache der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen eher schaden als nutzen. Dabei hätten sie, denen internationale Unterstützung immer mehr abhandenkommt, diese dringend nötig. Es sollte allerdings keine sein, die Wasser auf die Mühlen der Antisemiten gießt.

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Jahrgang 1979, Dr. phil., lebt in Tel Aviv, seit 2019 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.

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