Wohnraum für Obdachlose: Eine Hängepartie

Zwei Jahre ist Hannovers Oberbürgermeister schon im Amt. Noch immer hat er die Obdachlosigkeit in der Stadt nicht ausrechend bekämpft.

Betten für Obdachlose stehen in einem Saal in Hannover

Die Notschlafstelle für Obdachlose im Alten Flughafen in Hannover Foto: dpa

Im Wahlkampf hatte der grüne Oberbürgermeister von Hannover, Belit Onay, noch angekündigt, der Obdachlosigkeit den Kampf anzusagen. Doch mehr als zwei Jahre nach seinem Einzug ins Rathaus gibt es immer noch keinen genauen Plan. Schätzungen gehen von etwa 4.500 Wohnungslosen aus, die in der Stadt leben, Hannover hat 530.000 Einwohner*innen. Auf der Straße leben laut Straßenmagazin Asphalt etwa 900. Die Situation ist so desolat, dass einige von ihnen in der Fuß­gän­ge­r*in­nen­zo­ne vor dem riesigen leerstehenden ehemaligen Karstadt-Gebäude zelten.

Über die Zelte vor dem Kaufhaus wird in der Stadt gestritten. Die Rats-CDU sorgt sich um das Image, es entstehe der Eindruck, in Hannover werde nichts für Obdachlose getan. Sie fordert die Verhängung von Bußgeldern und eine Räumung. Die Grünen finden das „respektlos gegenüber den Betroffenen“.

Dabei ist es nicht so, dass der Stadt die Einsicht fehlt. Sie hat viele Projekte angekündigt, doch die Pläne hängen bisher in der Luft. So stehen mindestens vier städtische Gebäude, deren Nutzung zur Unterbringung wohnungsloser Menschen zum Teil schon vor mehreren Jahren beschlossen wurde, noch immer leer. Das hat der „Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover“ herausgefunden. Renovierungsmaßnahmen hätten zwar zum Teil begonnen oder seien sogar zu Ende gebracht worden, genutzt würde allerdings keines der Gebäude. „Wir fordern, dass die Stadtverwaltung offen und transparent erklärt, wieso Wohnraum für 200 Menschen über Jahre leer steht und verwahrlost, während Menschen auf der Straße leben“, schreibt der Arbeitskreis.

Nach wenigen Stunden stürmte die Polizei mit einem Großaufgebot das Gebäude

Eines dieser Gebäude ist eine ehemalige Bedürftigenunterkunft in der Schulenburger Landstraße. Bereits im Dezember 2020 besetzten linke Ak­ti­vis­t*in­nen den Komplex, um diesen obdachlosen Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Stadt erklärte, nicht mit Be­set­ze­r*in­nen verhandeln zu wollen, und nach wenigen Stunden stürmte die Polizei mit einem Großaufgebot das Gebäude. Ein Großteil der Verfahren wegen Hausfriedensbruch wurde mittlerweile eingestellt, heißt es von der Staatsanwaltschaft Hannover.

Unterkünfte für Obdachlose lassen auf sich warten

Die Stadt erklärte, der Leerstand werde nun an das Wohnungsunternehmen Hanova verkauft. Dort solle dann eine Wohnmöglichkeit für Obdachlose geschaffen werden. Die Hanova will sich vor Abschluss der Verhandlungen zu künftigen Plänen allerdings nicht äußern­.

Auch die übrigen leerstehenden Gebäude sollen „für die Belange Obdach- und Wohnungsloser“ verwendet werden, erklärt die Stadt. Unter anderem soll eine Unterbringung für 90 Personen mit Einzelzimmern entstehen, ein Wohnprojekt für Obdachlose mit bis zu 40 Wohnungen und eine Verlegung des „Mecki“-Kontaktladens in der Innenstadt. Immerhin ­dafür ist eine Eröffnung für 2023 oder 2024 zu erwarten. An seiner jetzigen Adresse war der Kontaktladen in den vergangenen ­Wochen immer wieder geschlossen. Zu den anderen Projekten heißt es von der Stadt, der genaue Fertigstellungszeitpunkt könne noch nicht genannt werden.

Als eine Reaktion auf die Proteste und die anhaltend schwierige Situation wurde das Wohnungsamt aus dem Bau- ins Sozialreferat verlegt und ein „Runder Tisch Wohnungslosigkeit“ geschaffen. Ein­woh­­ne­r*in­nen von Hannover und gezielt auch Betroffene wurden zur Obdachlosigkeit befragt. Mehrere Stiftungen mieteten angesichts der Gefahren durch die Pandemie Hotels an, um obdachlose Menschen in Einzelzimmern unterzubringen.

Vor einem Jahr eröffnete die Stadt ein erstes Pilotprojekt nach dem Housing-first-­Prinzip mit 21 Plätzen, die nach und nach auf 70 erweitert werden sollen. Erste Mie­te­r*in­nen bezogen außerdem das Housing-first-Projekt „Ein Zuhause“, das aus 15 Einzelwohnungen besteht und von Stiftungen und der Stadt getragen wird. Der Vorstand des Trägers sieht sich nach zehn Monaten im Konzept, Menschen zunächst unmittelbar von der Straße zu holen, bestätigt. Eine hohe Fluktuation an Mie­te­r*in­nen gebe es nicht. Die Wohnungen seien sehr gefragt und sofort belegt gewesen.

Neben diesen offiziellen Bemühungen gab es auch weitere praktische, unbürokratische Ansätze. So öffneten Ak­­ti­vis­t*in­nen heimlich eine leer stehende Wohnung. Eine Weile kamen dort Obdachlose unter. Das Kiezkollektiv Hannover, das gegen Gentrifizierung und Wohnungslosigkeit kämpft, ruft dazu auf, weiteren Leerstand zu melden.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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