Türkische Journalistin Kabaş verhaftet: Eine angebliche Beleidigung

Weil sie etwas gegen Erdoğan gesagt habe, wurde die bekannte Fernsehjournalistin festgenommen. Sie war eine der letzten, die kritisch berichtete.

Eine Frau gestikuliert und spricht in ein Mikrofon. Hinter ihr steht eine Gruppe von Menschen

Eine der wenigen bekannten kritischen Journalistinnen der Türkei: Sedef Kabaş Foto: AP

Eine der bekanntesten türkischen Fernsehjournalistinnen wurde verhaftet und per richterlicher Anordnung in U-Haft gesteckt. Sedef Kabaş soll Präsident Recep Tayyip Erdoğan beleidigt haben – ohne ihn allerdings überhaupt beim Namen zu nennen. Die 52-jährige Kabaş ist eine der wenigen prominenten Journalistinnen, die sich noch getraut hatten, im Fernsehen kritisch über die Regierung zu reden. Ihre Verhaftung am Samstag ist Teil eines von der Regierung losgetretenen Kulturkampfes, bei dem es darum geht, was MusikerInnen und KünstlerInnen in der Türkei noch sagen oder singen dürfen.

Wohl um von der andauernden Wirtschaftskrise abzulenken, hatten sich vor einigen Tagen einige AKP-Trolls im Internet ein fünf Jahre altes Lied der Pop-Diva Sezen Aksu vorgenommen. In dem völlig unpolitischen Song „Şahane Bir Şey Yaşamak“ (Etwas Wunderbares erleben) geht es augenzwinkernd um die Ignoranz von Adam und Eva.

Jahrelang hatte sich niemand daran gestört, plötzlich sollte diese Liedzeile aber eine Verunglimpfung des Islam sein. Während andere MusikerInnen und LiteratInnen sich mit Aksu solidarisierten, demonstrierten religiöse Fanatiker vor ihrem Haus. Am Freitag eskalierte Erdoğan die Debatte, indem in einer der größten Moscheen Istanbuls sagte, man müsse KünstlerInnen, die ihre Religion beleidigten, die Zunge herausreißen.

Kabaş wurde schon einmal verurteilt

In ihrer Fernsehsendung auf Tele 1 lud Sedef Kabaş daraufhin zwei DiskutantInnen ein, um über Kunstfreiheit in der Türkei zu reden. Nach der Sendung zitierte sie bei Twitter ein Sprichwort: „Geht ein Ochse in einen Palast, wird er nicht zum König, sondern der Palast zum Stall.“ Wenige Stunden später holte sie die Polizei um 2 Uhr nachts zu Hause aus dem Bett und führte sie ab. Der Generalstaatsanwalt persönlich hatte die Ermittlungen eingeleitet. Am Samstagabend wurde sie dann per richterlichem Beschluss in U-Haft gesteckt. Ihre Verhaftung wurde begleitet von einer Verleumdungskampagne in der regierungsnahen Presse, die etliche „empörte“ AKP-Funktionäre zitierte.

Sedef Kabaş ist nicht irgendwer. Sie ist das Gesicht von Tele 1, einem Sender, der der Opposition nahesteht. Deshalb war unter anderem am Samstagabend auch Canan Kaftancıoğlu, die Istanbuler Vorsitzende der CHP, zu ihrer Unterstützung bei einer Kundgebung vor dem Gericht. Vor Tele 1 hatte Kabaş bereits bei CNN, NTV und selbst im Staatsfernsehen gearbeitet. Sie wuchs als Kind in London auf, studierte dann an der Boğazici-Uni in Istanbul, machte ihren Master in Boston und promovierte später noch in Istanbul. Sie ist Autorin mehrerer Bücher über Journalismus.

In den vergangenen acht Jahren wurde sie bereits zweimal wegen Meinungsdelikten angeklagt, 2014 weil sie die Einstellung aller Korruptionsverfahren gegen Erdoğan und sein Umfeld kritisiert hatte, dann ein paar Jahre später wegen Präsidentenbeleidigung. Während ihr erstes Verfahren mit Freispruch endete, bekam sie beim zweiten 11 Monate auf Bewährung. Das könnte sich jetzt strafverschärfend für sie auswirken.

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