Oslo-Gespräche zu Afghanistan: Man muss reden

Gespräche mit den Taliban über humanitäre Hilfe sind alternativlos. Sie können Millionen Menschenleben retten und Menschenrechte stärken.

Ein Taliban sitzt am Tisch, vor ihm ein Mannim anzug,hinter ihm gestikulierende Hände

Es geht um akute Nothilfe: Anas Haqqani, ein Repräsentant der Taliban, am Konferenztisch in Oslo Foto: Stian Lysberg Solum/NTB via ap

Norwegens Regierung hat die Taliban zu Gesprächen eingeladen. Darf man das? Ja, man muss es sogar. Es geht akut darum, in einer der bedrückendsten humanitären Krisen weltweit das schiere Überleben von Millio­nen Menschen zu organisieren. Das funktioniert nicht an den neuen „De-facto-Machthabern“, wie die UNO die Taliban nennt, vorbei. Für die Hilfe werden Zugang und Strukturen vor Ort gebraucht. Erfahrene, in Afghanistan aktive Entwicklungsorganisationen sagen das schon seit Monaten recht einhellig.

Es gibt politische Bedenken, Teile der Hilfsgelder könnten den Taliban zugutekommen, etwa als politisches Kapital („Seht mal, wir haben das organisiert“). Wenn bereits von Taliban und Geberländern akzeptierte Mechanismen eingerichtet werden, Gesundheitspersonal direkt zu bezahlen, wird man das nicht ganz verhindern können. Auch in Afghanistan müssen Ärztinnen und Pfleger Steuern zahlen. Soll man deshalb die Kliniken lieber schließen? Zudem haben auch die Taliban Frauen und Kinder. Menschenrechte sind unteilbar.

In Oslo geht es auch darum zu beginnen, die Positionen der misogynen Taliban-Bewegung aufzuweichen und damit die Menschenrechte in Afghanistan zu stärken. Ohne solche Treffen ist das kaum vorstellbar, denn im Land begegnen die Taliban Protesten bisher mit Pfefferspray. Nach Oslo wurden auch Ver­tre­te­r:in­nen der protestierenden Zivilgesellschaft – leider von Norwegen handverlesen – eingeladen.

Die Geberländer müssen darauf dringen, dass die Taliban abweichende Meinungen akzeptieren, von polizeistaatlichen Mitteln, Einschüchterungen und Gewalt Abstand nehmen, wenn es um friedliche Meinungsäußerung geht – und einen Dialog wie in Oslo in Kabul beginnen. Zugegeben, es ist ein sehr dickes Brett, was es hier zu bohren gilt. Aber so sieht aktive Außenpolitik aus.

Deutschlands Afghanistan-Politik dagegen besteht vor allem darin, entlassenes Personal wieder einzustellen, um endlich die Ex-Ortskräfte und Men­schen­rechts­ak­ti­vis­t:in­nen aus dem Land zu holen. Von einer grünen Außenministerin erwartet man mehr.

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Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks Afghanistan Analysts Network Kabul/Berlin (https://www.afghanistan-analysts.org/en/). Abschluss als Diplom-Afghanist, Humboldt-Univ. Berlin 1985. Erster Afghanistan-Aufenthalt 1983/84, lebte und arbeitete seither insgesamt mehr als 13 Jahre dort, u.a. als Mitarbeiter der DDR-, der deutschen Botschaft, der UNO und als stellv. EU-Sondergesandter. Seit 2006 freischaffend. Bloggt auf: https://thruttig.wordpress.com zu Afghanistan und Asylfragen. Dort auch oft längere Fassungen der taz-Beiträge.

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