Entgleisung von US-Präsident Biden: Eines Bolzplatzes unwürdig

US-Präsident Joe Biden beschimpft einen Journalisten als „dummen Hurensohn“. Dabei wurde er vor allem gewählt, weil er nicht Donald Trump ist.

Eine Person vor Mikrofonen

Ups: Joe Biden vergreift sich bei einer Pressekonferenz im East Room des Weißen Hauses im Ton Foto: Andrew Harnik/dpa

Ja, es geht in gesellschaftlichen Debatten ziemlich hart zu. Aber „Emotion gehört dazu“, wie Hertha-Trainer Tayfun Korkut über die Fans sagte, die am Wochenende das Training der glücklosen Hauptstadtkicker unterbrachen und den Spielern eine Ansage machten: „Ihr reißt euch jetzt am Riemen, sonst zünden wir die nächste Stufe.“

Emotionen gehören dazu. Aber auch „stupid son of a bitch“, zu Deutsch: „dummer Hurensohn“? Nein, das hat keiner der Fans zu einem Hertha-Spieler gesagt, sondern der US-Präsident Joe Biden am Montagabend über den Reporter Peter Doocy von Fox News, der gewagt hatte, ihn nach den möglichen Auswirkungen der hohen Inflation auf die Kongresswahl im Herbst zu fragen.

Dafür hätte Biden bei uns auf dem Bolzplatz früher großen Ärger bekommen. Beleidigen, Grätschen, Nackenschelle, all das war dort im Rahmen des Möglichen. Aber bei „Hurensohn“ war Schluss mit lustig.

Biden ging zu weit

Auch wenn deutsche Medien sich jetzt in kultureller Übersetzung üben – „Das englische ‚son of a bitch‘ gilt in den USA als weniger schlimme Beleidigung als die wörtliche deutsche Übersetzung ‚Hurensohn‘“ – und die alternative Übersetzung „dummer Scheißkerl“ vorschlagen: Der demokratische Präsident, der seinen Wahlsieg vor allem der Tatsache zu verdanken hat, dass er nicht Donald Trump ist, ging mit dieser Aussage in einer journalismus- und frauenfeindlichen Gegenwart zu weit.

Ob die Inflation eine „politische Bürde im Vorfeld der Midterms“ sei, ist natürlich eine rhetorische Frage, deren Antwort der Fragesteller schon kennt. Genauso wie ARD-Reporterin Valeska Homburg die Antwort erahnen konnte, als sie BVB-Stürmer Marco Reus nach dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal letzten Dienstag gegen Zweitligist FC St. Pauli fragte: „Jetzt sind Sie nicht mehr im Pokal dabei, in der Liga sind die Bayern ein bisschen enteilt, in der Champions League raus – das ist erst mal nicht so toll, ne?“

Reus antwortete auf die Frage, die viel herausfordernder formuliert ist als jene an Biden, genervt, aber noch beherrscht mit Gegenfragen: „Wo sind die Bayern jetzt enteilt? Sechs Punkte, richtig. Sollen wir jetzt aufgeben, oder was?“ Und bewies in puncto Pressearbeit bessere Eignung für ein politisches Amt als einer der mächtigsten Politiker der Welt. Vielleicht sollte Biden mal einen Bolzplatz besuchen.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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