Abriss im Mettmannkiez: Fledermäuse machen Politik

In Wedding will die Bayer AG Wohnhäuser abreißen, um ihre Gewerbefläche zu vergrößern. Verbleibende BewohnerInnen dürfen auf Fledermäuse hoffen.

selbstgebastelte Fledermaus auf Tisch

Erinnert an Batman: Die Fledermäuse als mögliche Helden Foto: imago stock&people

BERLIN taz | Im Weddinger Mettmannkiez kämpfen AnwohnerInnen gegen ein von der Bayer AG geplantes Abrissvorhaben. Der Chemie- und Pharmakonzern will vier Wohnhäuser in der Tegeler Straße abreißen, um seinen Standort an der Stelle zu vergrößern. Eins der Häuser steht schon länger komplett leer. Am Montag sollten die Abrissarbeiten eigentlich beginnen, doch so weit kam es nicht: Die noch verbleibenden BewohnerInnen der umliegenden Häuser können auf schlafende Unterstützung aus dem Tierreich hoffen. In dem Gebäude leben womöglich Fledermäuse: Solange sie im Winterschlaf sind, darf nichts zerstört werden.

Noch ist unklar, wann genau die verbliebenen MieterInnen aus den anderen drei Häusern ausziehen müssen, aber sie rechnen mit dem baldigen Rauswurf. Kündigungen wurden schon verschickt. „Wir fühlen uns machtlos“, erzählt eine Anwohnerin, die am Fenster lehnt und eine Zigarette raucht. Schon früh am Montag hatte eine Initiative zur Kundgebung aufgerufen: An dem Protest beteiligten sich laut Initiative „MettmannkiezBleibt“ rund 40 Menschen.

Für viele stellt sich die Frage nach Ersatzwohnungen: „Es wird nahezu unmöglich sein, neue Wohnungen im vergleichbaren Preissegment zu finden“, erzählt einer der Anwohner. Seinen Namen möchte er nicht nennen, zu groß ist die Angst vor negativen Konsequenzen. Aus demselben Grund möchte ein Vertreter der Initiative „MettmannkiezBleibt“ auch nicht namentlich genannt werden. Beide erzählen von einem Vorfall aus dem letzten Jahr: Ein engagierter Mieter hatte ein Transparent mit der Aufschrift: „Hier werden bezahlbare Wohnungen abgerissen“ an die Fassade gehängt. Die Folgen laut Initiative: Die Hausverwaltung drang darauf, dass er das Banner wieder abhängt, Bayers Sicherheitsdienst patrouilliert seitdem vor den Häusern, um zu prüfen, ob ähnliche Aktionen folgen; die MieterInnen aus der Wohnung mit dem Transparent zogen kurz danach aus.

Wird der Abriss in den Sommer verschoben?

Auf taz-Anfrage sagt Bayer, dass es sich bei dem vom Abriss betroffenen Grundstück um „eine ausgewiesene Gewerbefläche“ handele, welche „der Erweiterung der Aktivitäten des Unternehmens in Berlin“ diene. Weiter heißt es, dass „planungsrechtlich eine Nutzung zu Wohnzwecken ausgeschlossen“ sei, die Bayer-Pressesprecherin verweist darauf, dass der Großteil der auf dem Grundstück befindlichen Gebäude ohnehin schon seit längerer Zeit leer stehe.

Planungsrechtlich steht dem Abriss nichts im Wege: Das Gebiet gilt als beschränktes Arbeitsgebiet, über das Bayer frei verfügen kann. Die Initiative allerdings meint, dass die Bayer AG bei ihrer Abrissplanung den Naturschutz vergessen hat – und wittert darin ein Schlupfloch. Das Bezirksamt Berlin-Mitte bestätigt auf taz-Nachfrage, es werde momentan geprüft, ob die betroffenen, zu großen Teilen leer stehenden, Häuser Winterquartiere für Fledermäuse und andere geschützte Tiere darstellen. Sollten also schlafende Fledermäuse in den Häusern gefunden werden, müsse mit dem Abriss mindestens bis zum Frühling oder Sommer gewartet werden.

Die BewohnerInnen der Tegeler Straße können also hoffen, dass die Fledermäuse noch lange ruhen. Sollte der Abriss verschoben werden, wäre Zeit vorhanden, um das gesamte Vorhaben zu überdenken oder AnwohnerInnen eine Perspektive zu bieten.

Laut der Initiative „MettmannkiezBleibt“ ist dies bisher nicht geschehen. Für sie würde der Abriss der Häuser „ansässige MieterInnen, Gewerbebetriebe, Kitas und Ateliers ohne Alternativplan und/oder Entschädigungszahlungen auf die Straße setzen“.

Es wird kritisiert, „dass ein uralter Bebauungsplan nicht neu überdacht wird und eine zukunftsfähige Stadtplanung nicht zum Tragen kommt“. Zudem stellt den Aktivisten zufolge die betroffene Grundstücksfläche nur einen Bruchteil der Gesamtfläche des Bayer-Standorts dar.

Auf dem schon vorhandenen Gebiet seien sowieso noch große Freiflächen vorhanden. Bayer sieht das anders und schreibt in seiner Presseerklärung, dass sie mit dem Abriss- bzw. Bauvorhaben „eine Investition in dreistelliger Millionenhöhe verbinden, um mehr als 1.000 Arbeitsplätze in Berlin langfristig und nachhaltig gewährleisten“ zu können.

Fledermäuse als letzte Hoffnung für bezahlbaren Wohnraum

Martha Kleedörfer, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion Berlin-Mitte, hat das Vorhaben generell, aber auch das Handeln des Bezirks mit Verweis auf die Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum scharf kritisiert. Sie schrieb dazu in einer Presseerklärung: „Der Bezirk Mitte hat trotz des fehlenden bezahlbaren Wohnraums seit Jahren nichts für den Erhalt der 140 preiswerten Wohnungen unternommen.“ Und: „Wir fordern das Bezirksamt auf, ihren Lippenbekenntnissen vom Erhalt bezahlbaren Wohnens endlich Taten folgen zu lassen und sich dafür einzusetzen, dass dringend benötigter preiswerter Wohnraum im Wedding erhalten bleibt.“ Alles andere sei ein wohnungspolitischer Skandal.

Bayers Gründe für die Notwendigkeit des Abrisses bezeichnet sie als „fadenscheinig“. Außerdem verweist sie darauf, dass der Großkonzern eigentlich dazu verpflichtet sei sich um Ersatzwohnungen mit vergleichbaren Mietpreisen zu kümmern. Das sei, so Kleedörfer allerdings beim momentanen Mietenwahnsinn in Berlin eine äußerst schwierige Angelegenheit.

Zu den momentanen Entwicklungen sagt sie: „Es ist nicht das erste Mal, dass Fledermäuse eine solche Entscheidung vertagt haben. Die machen auch Stadtentwicklungspolitik“. Am Mittwoch berät der Stadtentwicklungsausschuss zu dem Thema. Die Pressestelle des Bezirksstadtrats für Stadtentwicklung und Facility Management, Ephraim Gothe, verweist darauf, dass die Sitzung online ab 17:30 Uhr unter https://global.gotomeeting.com/join/219561469 öffentlich zugänglich ist.

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