Dart-Training bei Hannover 96: Treffsicher weg vom Kneipenimage

Dart kann klären helfen, wer die nächste Runde bezahlt – aber auch als Sport betrieben werden. Ein Besuch in der Dartabteilung von Hannover 96.

Nix da mit Frischgezapftem: Wenn die Dartspieler von Hannover 96 üben, herrscht Konzentration Foto: Christian Wyrwa

HANNOVER taz | Die Ruhe verblüfft. Hier hinter der großen Glasfront dudelt nur ganz leise Musik. Wenn die Dartspieler von Hannover 96 üben, wird nicht gejohlt, nicht geraucht und auch nichts gezapft. „Auch wenn dieses Image immer noch weit verbreitet ist: Dart ist kein Kneipensport“, sagt Christian Klar.

Seit drei Jahren übt der 39-Jährige selbst im Verein, bestreitet Punktspiele und Turniere. Acht Scheiben hängen in dem modernen Trainingsraum. Im edlen Parkettfußboden steckt ab und zu ein heruntergefallener Pfeil. Es wird gemeinsam gezielt, gefachsimpelt und bei Misserfolg leise geflucht. „Wir sind hier ein cooles Team“, sagt Klar.

Der Unterschied zwischen dem, was Fernsehsendern weltweit Rekordquoten beschwert und was sich mitten in Hannover-Linden abspielt, könnte kaum größer sein. Bei der Dart-Weltmeisterschaft in London feuert ein trinkfreudiges Publikum lautstark umjubelte Profis an. Im Training von Hannover 96 hört man im Sekundentakt bloß ein leises Klack, Klack, Klack – wenn die Pfeile ihr Ziel erreichen.

Beim Dokumentieren der geworfenen und beim Berechnen der noch zu werfenden Punkte helfen Tablets mit spezieller Software. In den Spielpausen drehten sich die Gespräche um die feinen Unterschiede zwischen kurzen, langen, leichten und schweren Pfeilen: In Eckkneipen kommen meistens Pfeile aus Kunststoff zum Einsatz. Im Verein ist vor allem Stahl im Spiel.

Andreas Rollwage, erfahrener Dartspieler und -trainer

„Für uns ist die WM ein Highlight und ein Segen zugleich“

Vom Koch über die Gesangslehrerin bis zum Grundschüler: An so einem Trainingsabend wird ernsthafter Sport getrieben – gerne im Trikot mit 96-Logo. Hier wird mit Elan für den ganz großen Wurf geübt.

Alle wollen Spaß, aber sich auch verbessern. Zwei Teenager sind erstmals dabei, wollen ausprobieren, wie gut sie aus 2,37 Meter Entfernung treffen. Andreas Rollwage kennt diesen Zyklus: Die Dart-WM rund um den Jahreswechsel, die in London mit immer mehr Tamtam inszeniert wird, macht Laien neugierig auf diesen Sport. „Für uns ist die WM ein Highlight und ein Segen zugleich“, sagt der erfahrene Spieler und Trainer: Rollwage kümmert sich bei Hannover 96 um jene Gäste, aus denen vielleicht Mitglieder werden können.

Der Einstieg in den Dartsport könnte kaum einfacher sein. Einer kurzen Beratung bei der Auswahl der Pfeile folgt eine kurze Erklärung, wie es am besten klappt, 501 Punkt abwärts auf null zu werfen.

Während Linkshänder Christian Klar fokussiert die Höchstmarke von 60 Punkten mit einem Wurf anvisiert, erzählt er von seiner Dart-Vita. Er war früher Fußballer, bis das Kreuzband nicht mehr mitgemacht hat. Dann als frisch gebackener Hobbydartspieler oft in der Kneipe, mit seinen Freunden die nächste Getränkerunde ausspielen. Eines Tages wollte er mehr Ernsthaftigkeit und Treffsicherheit als immer bloß Partystimmung. „Wenn du bei einem Punktspiel oder Turnier spielst, ist das eine Drucksituation“, erzählt Klar. „Das Schwierige ist, die Konzentration konstant hochzuhalten.“

Schon nach wenigen Minuten mit diesem dezenten Klack-Geräusch wird klar: Ein echter Trainingsabend in einem Verein ist mit einer gesellig-tresennahen Dartrunde nicht mal entfernt zu vergleichen. Wenn Abteilungsleiter Rollwage gedankenschnell erklärt, welche Optionen bei der 501-Zählweise zu beachten sind, klingt das eher wie Mathematikunterricht für Fortgeschrittene.

Arm schwer, Kopf leer

Der 54-Jährige investiert viel Zeit in die Nachwuchsarbeit. Er geht mit Talenten auf internationale Turnierreisen und bietet auch Mentaltraining an. Schulen kooperieren mit der Dartabteilung von Hannover 96: Auch immer mehr Kinder und Jugendliche finden cool, was sie bei der jeweils letzten WM gesehen haben und wollen es selbst ausprobieren.

Die Erkenntnis eines Laien nach rund 50 Würfen: Gezieltes Dartspielen ist eine Wissenschaft für sich. Ein schwerer Pfeil aus Metall, der gerade durch die Luft segelt, ist kein Garant für Volltreffer. Ein leichter Pfeil aus Kunststoff verspricht zwar mehr Komfort, lässt aber auch die nötige Präzision vermissen. Nach wenigen Minuten spürt dieser Anfänger, dass sein Wurfarm immer schwerer und der Kopf immer leerer wird.

Fünf- bis sechsmal pro Saison gelingt es einem geübten Dartspieler wie Christian Klar, mit drei Würfen in die dreifache 20 auf die maximale Punktzahl von 180 zu kommen. Das Lächeln in seinem Gesicht verrät, dass sich diese schönen Dartmomente wie ein Fünfer im Lotto anfühlen – mindestens.

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