SPD-Politikerin über Tierschutzpläne: „Das kann sich jeder leisten“

Hartz-IV-Empfänger müssten keine Angst vor höheren Lebensmittelpreisen haben, sagt SPD-Agrarpolitikerin Mittag. Auch die Zahlungen fürs Essen stiegen.

Ein Kühlregal mit Milchprodukten

Wenn die Kühe besser leben, könnte die Milch etwas teurer werden: Milchverpackungen im Supermarkt Foto: Rolk Vennenbend/dpa

taz: Frau Mittag, Bundesagrarminister Cem Özdemir will mehr Tierschutz durchsetzen und dafür auch höhere Lebensmittelpreise in Kauf nehmen. Welchen sozialen Ausgleich plant Ihre Ampelkoalition dafür?

Susanne Mittag: Es wird ja immer überprüft, in welchem Rahmen Preise steigen und entsprechend werden Hartz-IV-Beträge erhöht. Wenn also Lebensmittel teurer werden, bekommen Arbeitslosengeld-II-Empfänger dafür auch mehr.

Was ist mit Niedrigverdienern, die kein Hartz IV erhalten?

Für die Niedrigverdiener erhöhen wir erst mal den Mindestlohn. Der wird danach tendenziell auch weiter steigen. Wenn es zu eklatanten Preissteigerungen kommen sollte, dann muss man wohl zum Beispiel über Steuergrundfreibeträge reden. Wir rechnen aber nicht damit, dass die Preise durch unsere Tierschutzmaßnahmen stark steigen werden.

Die 63-Jährige ist ernährungs- und agrarpolitische Spre­cherin der SPD-Bundestagsfraktion, also des größten Mitglieds der Ampelkoalition.

Aber die Landwirte müssen doch Ställe umbauen, damit die Tiere mehr Platz oder vielleicht sogar Auslauf bekommen. Das kostet doch Milliarden.

Das wollen wir als Staat unterstützen, weil das tier- und klimagerechter ist und weil Landwirte das nicht unbedingt mehr alleine hinkriegen. Das ist ein gesellschaftlicher Anspruch. Zuschüsse bekommen Landwirte ja jetzt schon, auch aus der EU-Agrarförderung. Über die genaue Finanzierung verhandeln wir noch.

Wenn weniger Tiere in den Ställen stehen, steigen auch die laufenden Kosten pro Kilogramm Fleisch. Wer soll das bezahlen?

Im Koalitionsvertrag steht, dass das Geld aus einem „durch Marktteilnehmer“ getragenen System kommen soll. Ich könnte mit einer Tierwohlabgabe und auch mit einer Steuer auf Fleisch leben, aber vielleicht gibt es noch andere Möglichkeiten. Wir lassen gerade fachlich prüfen, wie das Geld, das der Verbraucher für die verbesserte Tierhaltung zahlen würde, beim Landwirt landet.

Wie viel wird die Verbraucher das kosten?

Wir wollen ja eine verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung einführen. Die zeigt den VerbraucherInnen, unter welchen Bedingungen die Tiere lebten sowie transportiert und geschlachtet wurden. Durch die erste Stufe dieses Tierwohllabels wird Fleisch wirklich nur wenig teurer. Das ist eigentlich das, was der Verbraucher jetzt schon zahlt für diese angeblichen Tierwohletiketten der Aldis und Edekas dieser Welt. Diskutiert wurde bisher ja über 40 Cent mehr im Schnitt pro Kilogramm. Das ist in der normalen Spanne eines Sonderangebotes und nicht so dramatisch.

Bio-Fleisch ist doch nicht nur etwas, sondern viel teurer.

Es geht um ein Tierwohl­label, nicht um Bio. Das Biosiegel schreibt nicht nur eine gute Tierhaltung vor, sondern auch, dass das Futter bio sein muss. Das ist viel kostenintensiver.

Fleisch wird also kein Luxusprodukt, wie Konservative suggerieren?

Nein, mehr Tierschutz kann sich jeder leisten. Das ist keine elitäre Angelegenheit. Wer das Gegenteil behauptet, will wohl einfach weitermachen wie bisher: Die Ställe werden versteckt vor der Öffentlichkeit, ständig klagen die Leute über die schlechten Haltungsbedingungen.

Warum wird diese staatliche Tierhaltungskennzeichnung besser als die privaten Label?

Alle tierischen Lebensmittel werden gekennzeichnet werden müssen, nicht nur wie bisher die Produkte, bei denen den Firmen das gut passt. Die Kennzeichnung wird auch Transport und Schlachtung sowie das verarbeitete Fleisch umfassen. Auch Wurst und Kuchen beispielsweise werden gekennzeichnet werden. Für Produkte, die Fleisch, Eier oder Milch enthalten, wird es Schwellenwerte geben, ab denen die Tierhaltung angegeben werden muss. Bisher bezieht sich kein Label auch auf das verarbeitete Fleisch, Milch und Eier.

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