Organisierung bei Lieferando: Fah­re­r mit Rad sucht Betriebsrat

2.500 Angestellte von Lieferando sollen einen Betriebsrat bekommen. Derweil profitiert Gorillas vom Rückzug der Konkurrenz.

fahrer mit Lieferando-Rucksack

Nicht im Regen stehen lassen: ein Betriebsrat hilft Foto: imago/Florian Gaertner

BERLIN taz | Beim Restaurantlieferdienst Lieferando, dem so orange-penetranten Marktführer im Segment des lauwarmen Pizza- und Burger-Haustürservices, wollen Beschäftigte einen Betriebsrat gründen. Etwa 2.500 Angestellte in Berlin, zumeist mit wenig attraktiven Arbeitsbedingungen, könnten davon profitieren.

Der erste Schritt auf dem Weg zu einer Betriebsratswahl ist mit der Ernennung eines Wahlvorstandes bereits gemacht: Elf Mitglieder sowie sechs Er­satz­kan­di­da­t:in­nen gehören dem im November berufenen Gremium an. „Wir haben uns jetzt zusammengefunden, um Wahlen vorzubereiten“, sagt eine Vertreterin aus dem Wahlvorstand der taz, ihren Namen möchte sie aus Sorge vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen nicht öffentlich machen.

Ernannt wurde das Gremium vom Lieferando-Gesamtbetriebsrat, der seit 2019 bundesweit existiert. Dem Schritt gingen jedoch monatelange Treffen der Fah­re­r:in­nen in Berlin voraus. Noch warten die nun Ernannten auf eigene Büroräume und die Unterstützung von Lieferando; manche von ihnen auch auf das Gehalt, das ihnen als Wahlvorstand zusteht.

Richtige Steine habe ihnen das Unternehmen noch nicht in den Weg gelegt, so die Essenskurierin, aber Hilfe sei eben auch nicht vorhanden. Der niederländische Mutterkonzern Takeaway hatte in der Vergangenheit etwa am Standort Köln versucht, lokale Betriebsratsgründungen zu unterlaufen.

Zehn Kilometer für eine Tour

Für die Fah­re­r:in­nen geht es um viel. Obwohl Lieferando zu den etablierten Marken der Branche gehört, ist der Lohn vergleichsweise schlecht. Wer Essen ausliefert, erhält zehn Euro pro Stunde, ab der 25. Auslieferung im Monat kommen 25 Cent pro Lieferung oben drauf, nach der 100. ein Euro.

Fahrrad und Handy müssen die Fah­re­r:in­nen bislang trotz eines entgegengesetzten Urteils des Bundesarbeitsgerichts selbst stellen, für eine minimale finanzielle Kompensation. In Berlin haben sich die Arbeitsbedingungen diesen Winter aufgrund des Fahrermangels verschlechtert. Bis zu zehn Kilometer müssen Fahrer nun für eine Lieferung zurücklegen, daher schaffen sie weniger Fahrten.

Für die Betriebsratswahl müssen die engagierten Kol­le­g:in­nen die Vereinzelung der Angestellten überwinden, denn sie haben keinen gemeinsamen Arbeitsplatz. Kontakte seien oft nur möglich, indem man sich auf der Straße anspricht, so die Fahrerin. Eine große Hilfe und Motivation sei die zuletzt erfolgte und gerichtlich durchgekämpfte Gründung eines Betriebsrates beim Lebensmittellieferanten Gorillas gewesen.

Gorillas sichert sich Fah­re­r:in­nen

Gorillas profitiert derweil von einer anderen Entwicklung am Markt: Kurz vor Weihnachten hat das Berliner DAX-Unternehmen Delivery Hero seine Marke Foodpanda zurückgezogen. Der inzwischen weltweit tätige Konzern hatte 2018 sein Deutschlandgeschäft an den Lieferando-Mutterkonzern Takeaway verkauft und war erst vor einem halben Jahr mit Foodpanda wieder in das Liefergeschäft hierzulande eingestiegen. Doch anscheinend war man der Konkurrenz um Kun­d:in­nen und Ar­bei­te­r:in­nen nicht gewachsen.

Die etwa 700 Foodpanda-Fahrer:innen hat Delivery Hero nun an Gorillas weitergereicht, an dem es ebenfalls Anteile hält. Die Fah­re­r:in­nen erfuhren davon per Mail. Gorillas hat sich damit auf einen Schlag des Problems entledigt, nicht genügend Personal zu finden. Laut einer der zwangsversetzten Fah­re­r:in­nen warten in den Lagerhäusern derzeit viel zu viele Fah­re­r:in­nen auf Bestellungen. Im Februar soll demnach eine Bewertung ihrer Arbeit erfolgen. Wer gut „performt“, darf bleiben und erhält dann auch Ausrüstung von Gorillas.

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