Sänger Xavier Naidoo: Antisemitismusvorwurf war erlaubt

Durfte Xavier Naidoo als Antisemit bezeichnet werden? Das Bundesverfassungsgericht gibt einer Referentin der Amadeu-Antonio-Stiftung recht.

Der Sänger Xavier Naidoo in einer Porträtaufnahme von 2017

Driftete zuletzt immer weiter in die Verschwörungsszene ab: Sänger Xavier Naidoo Foto: Peter Kneffel/dpa

FREIBURG taz | Der Sänger Xavier Naidoo durfte von der Wissenschaftlerin Melanie Hermann als „Antisemit“ bezeichnet werden. Das Bundesverfassungsgericht hob zwei zivilrechtliche Urteile auf, mit denen Hermann die Wiederholung der Äußerung untersagt wurde. Dies habe ihre Meinungsfreiheit verletzt. Der Karlsruher Beschluss aus dem November wurde am Mittwoch veröffentlicht.

Melanie Hermann arbeitet bei der Amadeu-Antonio-Stiftung als Expertin für Verschwörungstheorien im Projekt „No world order“. Im Juli 2017 hielt sie in Bayern einen Vortrag über Reichsbürger. Auf eine Frage aus dem Publikum, wie sie denn Xavier Naidoo einschätze, sagte Hermann: „Ich würde ihn zu den Souveränisten zählen, mit einem Bein bei den Reichsbürgern. Er ist Antisemit, das darf ich, glaub ich, aber gar nicht so offen sagen, weil er gerne verklagt. Aber das ist strukturell nachweisbar.“

Tatsächlich hatte Naidoo die Stiftung schon einmal abgemahnt, weil er als „Antisemit“ bezeichnet wurde, was 2015 mit einen gerichtlichen Vergleich endete. Damals ging es um eine Liedstrophe aus Naidoos Song „Raus aus dem Reichstag“, in dem von einem „Baron Tot­schild“ die Rede ist, der „den Ton angibt“. Die Stiftung sah darin eine Anspielung auf das antisemitische Stereotyp der jüdischen Rothschild-Bank, die mit dunklen Machenschaften im Hintergrund die Fäden ziehe.

Vor zwei Gerichten unterlag die Referentin

Auch diesmal klagte der Mannheimer Sänger und hatte beim Landgericht Regensburg und beim Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg mit seinen Unterlassungsklagen Erfolg. Naidoos Persönlichkeitsrecht überwiege die Meinungsfreiheit der Wissenschaftlerin.

Gegen die bayerischen Urteile erhob Hermann jedoch erfolgreich Verfassungsbeschwerde. Eine mit drei Rich­te­r:in­nen besetzte Kammer des Bundesverfassungsgerichts erklärte ihre Eingabe für „offensichtlich begründet“. Dabei monierten die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen zunächst, das OLG habe die Bezeichnung „Antisemit“ zu Unrecht als „mehrdeutig“ angesehen und dann die schlimmste Bedeutung unterstellt, nämlich dass Naidoo NS-Gedankengut vertrete und möglicherweise sogar bereit sei, Juden zu vernichten.

Eine solche Deutung sei jedoch „fernliegend“, so das Verfassungsgericht. Vielmehr habe Hermann Naidoo lediglich als eine Person bezeichnet, die den Reichsbürgern nahestehe und dabei auch antisemitische Inhalte weitertrage. Damit ist schon die Beeinträchtigung von Naidoos Ruf geringer als vom OLG angenommen.

Karlruhe sieht keine Prangerwirkung

Beanstandet wurde zudem die Annahme des OLG, dass Naidoo als Künstler besonders schutzwürdig sei, weil er von der Interaktion mit seinem Publikum abhänge. Auch Kritik an den politischen Ansichten von Künstlern müsse möglich sein, so das Bundesverfassungsgericht. Wer im öffentlichen Meinungskampf zu einem abwertenden Urteil Anlass gegeben hat, müsse „eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie das persönliche Ansehen mindert“. Dies sei keine Prangerwirkung, vielmehr habe sich Naidoo ja öffentlich gegen den Vorwurf wehren können.

Nach diesen Vorgaben wird das Landgericht Regensburg nun wohl Naidoos Unterlassungsklage ablehnen.

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