EU will Atomkraft auf grün trimmen: Fehlende Akzeptanz ist egal

Verbraucher akzeptieren keine Siegel, bei denen Atomkraft als grün gilt. Das stört die EU bei ihren Plänen für ein Nachhaltigkeitslabel nicht.

Rauch schwappt aus einem Kraftwerk auf

Eher grau als grün: Atomkraftwerke Foto: Pattyn/imago

BERLIN taz | Die EU-Kommission kümmert es offenbar nicht, dass sie den Erfolg ihres geplanten Labels für grüne Geldanlagen gefährden könnte, indem sie Investitionen in Atomkraft als „nachhaltig“ deklariert. So lässt sich die Antwort der Kommission auf ein Schreiben der Nichtregierungsorganisation Finanzwende Recherche verstehen. Darin hatten die Fi­nanz­ex­per­t:in­nen auf eine Umfrage hingewiesen, nach der mehr als 80 Prozent der in Deutschland lebenden Ver­brau­che­r:in­nen eine Geldanlage nicht als nachhaltig anerkennen, wenn Kapital auch in Atomanlagen fließt.

„Die Kommission lässt sich auf unseren Punkt gar nicht erst ein“, sagt Magdalena Senn, Referentin für nachhaltige Finanzmärkte bei Finanzwende Recherche. „Offenbar hat sie keine guten Argumente dagegen.“ Stattdessen bezieht sich die Brüsseler Behörde in ihrer Antwort an Finanzwende auf das Ergebnis einer umstrittenen Studie der Forschungsstelle Joint Research Center. Diese kommt zu dem Schluss, dass Atomkraft aus Klimaschutzgründen als nachhaltig zu bewerten ist.

Der Hintergrund: Die EU arbeitet an einer Verordnung, mit der eine Art Nachhaltigkeitssiegel für Finanzanlagen geschaffen werden soll, die sogenannte Taxonomie. Unter der Führung Frankreichs wollen zwölf Staaten, dass dabei auch Atomanlagen als nachhaltig gelten. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich mit Ver­tre­te­r:in­nen von fünf weiteren Ländern dagegen ausgesprochen – ebenfalls mit dem Argument der Glaubwürdigkeit. Die Gruppe verweist darauf, wie gefährlich die Produktion von Atomkraft ist und dass das Problem nicht gelöst ist, was mit dem strahlenden Müll geschehen soll.

Steckt ein klimaschädlicher Deal dahinter?

Vor kurzem hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, dass eine Einstufung der Atomkraft als nachhaltiges Investment angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der EU kaum noch zu verhindern sei. Die NGO Finanzwende fürchtet, dass dahinter ein Deal steckt: Frankreich setzt sich mit seinem Anliegen durch, dafür wird der Wunsch aus Deutschland erfüllt, auch Investments in Erdgas als grüne Geldanlage zu bewerten – also die Finanzierung eines klimaschädlichen fossilen Energieträgers.

„Nach unseren Informationen haben sich Vertreter der Bundesregierung in Brüssel für die Einstufung von fossilem Erdgas als nachhaltig eingesetzt“, sagt Senn. Sollte die EU-Kommission tatsächlich Geldanlagen mit Atomanteil als nachhaltig einstufen, werde das neue Siegel hinter bestehende Branchenstandards zurückfallen, etwa denen des Forum Nachhaltige Geldanlage (FNG) und sogar denen des Labels Greenfin des französischen Staates.

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