Gastgeber mit Blood-and-Honour-Tattoo: Urlaub bei einem Neonazi

Der Gastgeber einer kretischen Ferienwohnung ist ein Neonazi. Doch Airbnb nimmt die Anzeige erst von der Plattform, nachdem die taz nachfragt.

Im Vordergrund Fischerboote, im Hintergrund Häuser.

Eigentlich idyllisch: Hafen auf Kreta Foto: chromorange/imago

Der erste Urlaub seit Beginn der Pandemie sollte ursprünglich ein ruhiger werden. Auf der griechischen Insel Kreta die Sonne und das Meer genießen. Das war der Plan, wie Arnold Pregge erzählt. Mit seinem Freund und einem weiteren Pärchen buchte er über die Internetplattform Airbnb für eine Woche eine Wohnung von einer lokalen Firma namens „Guesteasy“. Die Kritik, dass Airbnbs dazu beitragen, Mietpreise zu erhöhen, kennen sie. Aber so ist der Urlaub etwas günstiger.

Als sie im Juli nach der erschöpfenden Reise ankommen, begrüßt sie ein Mann, der nicht nur die Schlüssel für ihre Unterkunft, sondern auch ein beunruhigendes Tattoo hat. Wegen seines kurzärmligen T-Shirts ist auf dem Unterarm das Logo von Blood and Honour zu sehen – gut 15 Zentimeter lang.

Blood and Honour ist ein internationales Neonazi-Netzwerk, das der britische Skinhead-Musiker Ian Stuart in den 80er Jahren gründete. Die Bezeichnung „Blood and Honour“ bezieht sich vermutlich auf die Inschrift der HJ-Messer „Blut und Ehre“. Die Verwendung der Parole steht in Deutschland unter Strafe. Und auch das Netzwerk wurde bereits im Jahr 2000 verboten.

Verschwunden ist es deshalb aber nicht. NSU-Mitglieder sollen ihm angehört haben, und Anfang des Jahres wurden elf Neonazis in München angeklagt, sie wollten das Netzwerk in Deutschland weiterführen. Auch in anderen Ländern, wie in Ungarn, ist Blood and Honour aktiv, und Teile davon sollen das Neonazi-Treffen „Tag der Ehre“ organisieren. Andere feiern bis heute Blood and Honour in Liedern, auch in Griechenland. Verboten ist die Organisation dort aber nicht.

Arnold Pregge und seine Begleiter hätten nichts zu dem Tattoo gesagt, erzählt er. Sie hätten die Wohnung betreten, und der Mann habe ihnen höflich gezeigt, wo sie was finden. Erst nachdem er ging, hätten sie darüber gesprochen und sich geärgert, dass sie „keinen Arsch in der Hose hatten, etwas zu sagen“, schimpft Pregge noch Monate später. Sie wurden nicht diskriminiert, nicht abgewiesen, wie es in anderen Fällen bei Airbnb schon passiert ist. Aber sie sind eben auch vier weiße Deutsche. Um andere vor dem offensichtlichen Neonazi zu warnen, will er bei Airbnb direkt eine Bewertung schreiben.

Aber: Airbnb weist in den Richtlinien darauf hin, Kommentare zu politischen Ansichten zu vermeiden. Arnold Pregge möchte hingegen vermeiden, gesperrt zu werden, und fragt daher beim Kund*innenservice, ob er das Neonazi-Tattoo erwähnen dürfe.

Erst antwortet ihm ein Chat-bot, dann ein Mitarbeiter. Der sagt, Arnold Pregge dürfe das nicht schreiben. Der Chatverlauf liegt der taz vor. Pregge ist irritiert und fragt nach: „Airbnb bezeichnet Rechtsradikalismus als legitime politische Ansicht?“ Der Mitarbeiter bestreitet das. „Wir dulden natürlich keinen Rechtsradikalismus“, aber wie sich Arnold Pregge verhalten soll, das weiß er auch nicht. Darum wird Pregge weitergeleitet. Und weiter. Und noch weiter. Über Wochen hinweg passiert nichts. Dann schreibt ein Mitarbeiter, er würde ihm per Mail kontaktieren, und schließt den Chat.

Professionelle Gast­ge­be­r*in­nen sind keine Seltenheit

Wenn Gäs­t*in­nen über Airbnb eine Unterkunft buchen, zahlen sie in der Regel etwa 14 Prozent der Zwischensumme als Servicegebühren. Die Zwischensumme umfasst den „Übernachtungspreis zuzüglich Reinigungsgebühren und Gebühren für zusätzliche Gäste, falls zutreffend, aber ohne Airbnb-Gebühren und Steuern“, schreibt Airbnb auf seiner Seite. Die Servicegebühren fließen dann in „beispielsweise den täglich rund um die Uhr verfügbaren Kundenservice“, heißt es an anderer Stelle. Doch Arnold Pregge fühlt sich alles andere als gut beraten. Er zweifelt an der Kompetenz der Servicemitarbeiter*innen.

Allerdings ist sein Fall sicher nicht alltäglich. Auf dem Bewertungsportal „Trustpilot“ kommt Airbnb aktuell zwar nur auf 1,4 von 5 möglichen Sternen. Wer unzufrieden mit Airbnb oder dem Kundenservice ist, nimmt sich vermutlich die Zeit und lässt dort Frust raus. Aber von Nazis oder Neonazis berichtet nur eine der tausend Bewertungen, und die ist von Arnold Pregge. Er schreibt sie fünf Wochen nach der ersten Kontaktaufnahme im Chat.

Ist Airbnb überhaupt verantwortlich oder doch die Firma Guesteasy, zu der der Mann mit dem Tattoo gehört? Airbnb ermöglicht es den Gastgeber*innen, Räume und Wohnungen anzubieten, ursprünglich für kurze Reisen. Auf der Firmenwebsite wirbt Airbnb dabei vor allem mit privaten Personen, die ihre eigenen vier Wände bereitstellen. Doch in vielen Fällen stehen dahinter auch professionelle Firmen. Wie häufig das in Griechenland so ist, das ist unklar. Airbnb beantwortet das auf Anfrage nicht.

Der Tourismus-Wissenschaftler Czesław Adamiak hat mit einem Algorithmus Inserate bei Airbnb untersucht. Er forscht an der Universität im polnischen Toruń. In seine Analyse gingen 89.000 Airbnb-Angebote aus Deutschland und 67.000 aus Griechenland. Auf Anfrage schickte Adamiak seine Ergebnisse an die taz.

Laut ihnen waren im September 2019 in Deutschland 13,7 Prozent aller Angebote Einzelzimmer und 31,5 Prozent Apartments und Wohnungen, die sich An­bie­te­r*in­nen zuordnen ließen, die mehrere Anzeigen hatten. Adamiak bezeichnet sie als professionelle Gastgeber*innen. In Griechenland waren es zwar ebenfalls 13,7 Prozent bei Zimmern, aber insgesamt 50,3 Prozent aller Angebote waren Apartments oder Wohnungen von professionellen Gastgeber*innen.

Die Daten sind nur ein Anhaltspunkt, da sie nicht aus der Datenbank von Airbnb stammen, sondern automatisiert von der Website ausgelesen und verarbeitet wurden. Sie sind wahrscheinlich nicht vollständig. Trotzdem zeigt sich deutlich, dass professionelle Gast­ge­be­r*in­nen keine Seltenheit bei Airbnb sind.

Lange ist unklar, warum Airbnb nichts tut

Arnold Pregge habe die vermietende Firma Guesteasy direkt nach dem Urlaub mit dem Tattoo konfrontiert, sagt er – doch die habe widersprüchlich geantwortet: Erst, es gebe kein Tattoo, und dann, es sei „in process of removing“, also gerade dabei, entfernt zu werden. „Das passt doch nicht“, schließt Pregge, „entweder es ist kein Neonazi-Tattoo oder es gibt ein Tattoo und einen Grund, es zu entfernen.“ Er glaubt nicht, dass bei der Firma etwas passiert.

Von Airbnb habe er auch keine Antwort per Mail bekommen. Weil er selbst nicht diskriminiert wurde, sei die Antidiskriminierungsstelle von Airbnb nicht zuständig, habe diese gesagt und das Gespräch beendet. Seine Frage sei aber offengeblieben: Darf man bei Airbnb ein Neonazi-Tattoo in der Bewertung erwähnen? Er schreibt erneut über den Kund*innenservice, doch die Chats werden sofort geschlossen. Für Arnold Pregge ist völlig unverständlich, dass Airbnb nichts tut. Auf taz-Anfrage bittet die Plattform zunächst um Zeit, um den Fall zu prüfen. Wie und was genau geprüft wird, macht das Unternehmen nicht transparent.

Dabei hatte sich Airbnb selbst auf die Fahne geschrieben, eine „Welt mitzugestalten, in der sich jeder überall zu Hause fühlen kann“, und setzte sich auch schon gegen Neonazismus ein. 2017 sperrte die Plattform mehrere Neonazis. Eine Reaktion des Unternehmens, nachdem ein Neonazi in Charlottesville mit einem Auto in eine Demonstration fuhr, eine junge Frau namens Heather Heyer tötete und Dutzende weitere Menschen verletzte. Im vergangenen Jahr spendete Airbnb unter anderem an die Black Lives Matter Foundation, sprach sich damit gegen Rassismus aus und forderte „Allyship“, also aktive Solidarität von Nichtbetroffenen.

Im Blood-and-Honour-Fall antwortet Airbnb der taz, sie hätten hohe Antidiskriminierungsstandards. Weil das Inserat nicht mit diesen Standards übereingestimmt habe, sperrte es Airbnb. „Ansichten und Verhalten, die gegen diese Regeln verstoßen, haben keinen Platz auf Airbnb – das gilt für Gastgeber und Gäste auf Airbnb gleichermaßen“, steht in der Stellungnahme. Guesteasy darf weiter andere Inserate schalten. Ob sich das ändert, beantwortet Airbnb nicht.

Aber der Konzern entschuldigt sich bei Arnold Pregge für den schlechten Kundenservice, der nicht den Standards entsprochen habe, und stellt ihm einen Gutschein von 200 Euro aus.

Seine Bewertung habe den Richtlinien nicht widersprochen. Airbnb empfehle zwar, die politischen Ansichten der Mitglieder nicht zu erwähnen, aber in diesem Fall habe es „relevant das Urlaubserlebnis der Reisenden beeinflusst“. Blood-and-Honour-Tattoos dürfen also in Bewertungen bei Airbnb erwähnt werden.

Die Rezensionsrichtlinien stünden in keinem Konflikt mit den Antidiskriminierungsrichtlinien. Sollten Gäs­t*in­nen bei Airbnb diskriminiert werden, könnten sie sich rund um die Uhr beim Hilfezentrum oder bei Twitter an Airbnb wenden. Fraglich bleibt aber, wie der Fall ausgegangen wäre, wenn die taz nicht nachgefragt hätte.

Arnold Pregge heißt anders, aber zu seinem persönlichen Schutz hat die taz seinen Namen geändert. Der echte Name ist der Zeitung bekannt.

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