Versammlungsrecht auf dem Prüfstand: Kein Schlaf im Klimacamp

In Hannover fühlen sich Aktivisten von Kontrollen und Auflagen schikaniert. Jetzt haben sie nicht genügend Nachtwachen. Droht die Räumung?

Zelte und Transparente stehen auf einer Wiese im Maschpark in der Nähe des Hannoverschen Rathauses

Im Sommer befand sich das Camp noch im Park neben dem Rathaus, da gab es weniger Ärger Foto: Moritz Frankenberg/dpa

HANNOVER taz | Es wird mal wieder um juristische Feinheiten gehen, beim nächsten Plenum des Klimacamps in Hannover. Nicht zum ersten Mal.

Dieses Mal sind die Nachtwachen das Problem. „Es ist ziemlich schwierig, die über den Winter durchzuhalten“, sagt Simon, der aktuell für das Camp spricht. Das liegt nicht nur daran, dass die Teilnehmerzahlen seit dem Sommer wie an vielen anderen Orten ziemlich abgebröckelt sind. Sondern auch daran, dass die Nächte so verflixt lang und kalt sind.

Es ist eben ein Unterschied, ob man eine laue Sommernacht durchmacht oder ab 17 Uhr Schichten einteilen muss und beim Kampf gegen das Festfrieren Energie verbrennt. Die Nachtwachen einfach einzustellen, ist aber nicht so einfach: Die Polizeidirektion Hannover weist die Klimaaktivisten in ihrer Genehmigung immer wieder gern daraufhin, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit mindestens zwei wache Ansprechpersonen vor Ort sein müssen – sonst würde man die Versammlung als beendet betrachten.

Dagegen klagen die Aktivisten nun vor dem Verwaltungsgericht. Am liebsten hätten sie per Eilantrag feststellen lassen, dass ihr Camp auch dann eine Versammlung ist, wenn alle schlafen. Aber das, befand das Verwaltungsgericht Hannover nun, wäre formal nicht zulässig. Die Camp-Bewohner müssten schon erst einmal abwarten, ob überhaupt eine Räumung verfügt wird – und dann gegen die Verfügung Widerspruch einlegen.

Ist ein Sleep-In keine Versammlung?

Die Frage, wann eine Versammlung eine Versammlung ist, ist allerdings ein bisschen knifflig. In Paragraph 2 des niedersächsischen Versammlungsgesetzes wird das so definiert: „Eine Versammlung im Sinne dieses Gesetzes ist eine ortsfeste oder sich fortbewegende Zusammenkunft von mindestens zwei Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung.“

Die Frage muss nun lauten: Muss man zum Kundgeben wach sein oder reicht ein Plakat? Ist ein Sleep-In mit Transparenten eine zulässige Form der Versammlung? Drolligerweise hat dieselbe Polizeidirektion das fast schon einmal anders herum interpretiert: Noch im September hatte man dem Klimacamp nämlich vorgeworfen, die im niedersächsischen Feiertagsgesetz geregelte Sonntagsruhe zu stören.

Die verbietet Versammlungen unter freiem Himmel, sofern sie am Sonn- oder Feiertag zwischen 7 und 11 Uhr stattfinden – also in der Zeit, die typischerweise Gottesdienste vorbehalten ist. Damals rollte die Polizei eigenhändig und mit robustem Körpereinsatz die Transparente ein und rückte sie um Punkt 11 Uhr wieder raus.

Erst als der Oberbürgermeister und der evangelische Stadtsuperintendent vermittelten und eine Sondergenehmigung erwirkten, hatte dieser Spuk ein Ende. Sind die Transparente also sonntags morgens Kennzeichen einer Versammlung, nachts aber nicht?

Verzögerungen und Hürden von Anfang an

Bei vielen der Aktivisten hat sich nicht nur an dieser Stelle der Eindruck festgesetzt, dass manchen Menschen bei der Polizei oder in der Verwaltung jeder Vorwand recht ist, um dem Camp Steine in den Weg zu legen – auch wenn Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) noch so gern seine Unterstützung versichert.

„Es war von Anfang an schwierig, das Camp auf dem Trammplatz, dem Rathausvorplatz, genehmigt zu bekommen“, sagt Rechtsanwalt Detlev Manger. Immer wieder habe es Verzögerungen und neue Auflagen gegeben. Mal war es eine Kunstausstellung am Rande des Platzes, mal angeblich nicht gewährleistete Fluchtwege.

Kontrollen gab es anfangs täglich. Aktuell laufen Bußgeldverfahren, weil an einer Stelle verbotenerweise zwei Heringe ins Pflaster geschlagen wurden und die Folie unter dem Küchenzelt den Untergrund nicht vollständig bedeckte.

Auflagen wie Nachtwachen oder das Verbot ein offenes Feuer zu entzünden machen dem Camp das Leben schwer. Auch als es um die Strom- und Wasserversorgung ging, gab es immer wieder Verzögerungen, obwohl die doch längst zugesagt worden war, erinnert sich Camp-Sprecher Simon.

Die Aktivisten sind trotzdem entschlossen durchzuhalten. Gerade haben sie sich zwei große, winterfeste Zelte organisiert. „Wir stehen zu dem Motto ‚Wir bleiben bis ihr handelt‘“, sagt Simon.

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