Impfskepsis, Querdenker und Chatgruppen: Verwurmter Wunderglaube

Die einen kaufen sich Entwurmungsmittel, andere lassen sich einen nicht zugelassenen Impfstoff impfen. Woher kommt das Vertrauen in Chatgruppen?

Menschen mit einer selbst gebastelten Attrappe einer Spritze im Rücken liegen am Boden

Skeptisch: Impfgegner und Querdenker in Nürnberg Foto: Alexander Pohl/imago images

Wenn es um Impfungen geht, bezeichnen sich manche Menschen selbst als „skeptisch“. Das ist nicht erst seit den Corona-Impfstoffen so. Die Weltgesundheitsorganisation benannte bereits vor der Pandemie 2019 das Zögern bei Impfungen als eine der zehn globalen Bedrohungen für die Gesundheit – neben der Klimakatastrophe, HIV oder einer Influenzapandemie. Den einen Grund für die „Skepsis“ bei Impfstoffen gibt es nicht. Aber bei manchen ist es offenbar ein rebellischer Akt gegen die Institutionen. Als skeptisch lässt sich ihr Verhalten jedoch dann nicht einstufen, wenn sie blind dem vertrauen, was sie in Chatgruppen oder auf Social-Media-Plattformen lesen und Medikamente nehmen, die weder zugelassen noch medizinisch geprüft wurden. Das ist gefährlich, aber nicht rebellisch.

Am vergangenen Wochenende wollten sich mehr als 200 Menschen in Lübeck einen mutmaßlich nicht zugelassenen Impfstoff spritzen lassen, wie Polizei und Medien berichten. Am Samstagnachmittag hatten 50 Personen bereits eine Spritze bekommen, als die Polizei am Flughafen eintraf. Die Beamten beendeten die Aktion und stellten Impfproben und Spritzen sicher. Um welchen Impfstoff es sich handelt, ist bisher unklar, noch wird ermittelt. Die Annahme liegt jedoch nahe, dass es der angebliche Corona-Impfstoff ist, den der AfD-nahe Mediziner und Unternehmer Winfried Stöcker entwickelt hat.

Stöcker gehört der Flughafen in Lübeck, an dem geimpft wurde. Spiegel TV berichtete im März über den „Corona-Tüftler“. Er bekam eine Anzeige, weil er sich und weiteren Menschen den Impfstoff verabreichte, ohne die nötigen Genehmigungen und Sicherheitsprüfungen. Wie wirksam sein Impfstoff ist und welche Nebenwirkungen in seltenen Fällen auftreten können, kann er nicht belegen. Seinen Impfstoff den zugelassenen vorzuziehen, lässt sich nicht rational begründen. In solchen Fällen von „Skepsis“ zu sprechen, ist verharmlosend.

Ähnlich Irritierendes zeigt sich in Österreich. Dort nehmen Menschen offenbar ein Entwurmungsmittel für Pferde gegen Corona. Dabei wirkt das Mittel nicht gegen die Virusinfektion. Doch Anfang November hatte das unter anderem der Chef der rechten FPÖ, Herbert Kickl, verbreitet. Skeptisch wäre in diesen Fällen, die Behauptungen misstrauisch zu hinterfragen und Belege einzufordern, statt dumpf gegen die Institutionen zu wettern und sich selbst in Gefahr zu bringen.

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