Neues Regierungsbündnis in Tschechien: Breite Koalition in Prag

In Tschechien hat der liberalkonservative Petr Fiala den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Zuvor machten andere Spekulationen die Runde.

Petr Fiala mit Marketa Adamova und Marian Jurecka in guter Laune.

Das Bündnis: Petr Fiala (Mitte) am Wahlabend mit Marketa Adamova und Marian Jurecka Foto: Tomas Tkacik/SOPA/Zuma/dpa

PRAG taz | Am Ende war alles doch undramatischer als erwartet: Vom Krankenbett aus hat Tschechiens Präsident Miloš Zeman den liberalkonservativen Bürgerdemokraten Petr Fiala als Spitzenkandidaten einer siegreichen Koalition mit der Regierungsbildung beauftragt. Und Noch-Ministerpräsident Andrej Babiš hatte sich schon wenige Tage nach den Parlamentswahlen Anfang Oktober bereit erklärt, in die Opposition zu gehen. Entsprechend harmonisch verlief die konstituierende Sitzung des tschechischen Abgeordnetenhauses am Dienstag.

Dabei hatte es zuvor Spekulationen gegeben, dass Zeman den Auftrag zur Regierungsbildung auch an den bisherigen Amtsinhaber Babiš vergeben könnte. Eine Mehrheit unter seiner Führung war allerdings nicht in Sicht: Der Multimilliardär und Gründer der populistischen Partei ANO hatte nach der Wahl Anfang Oktober keine Partner gefunden.

Bei der Sitzung des Abgeordnetenhauses spielte sich nun eine Art Familienübergabe ab: Die Brüder Okamura begrüßten sich per Handschlag. Tschechiens oberster Rechtspopulist Tomio Okamura durfte als scheidender stellvertretender Vorsitzender des Hauses dessen neue Mitglieder begrüßen. Unter denen befand sich auch sein älterer Bruder Hayato. Er hat in seinem dritten Anlauf in die hohe Politik auf einem Ticket der Christdemokraten ein Abgeordnetenmandat erlangt. „Zwischen mir und Tomio besteht ein grundlegender politischer Unterschied“, betont Hayato, der sich als proeuropäisch, proatlantisch und prodemokratisch identifiziert.

Im Gegensatz zu Tomio, der seine Karriere als Politiker darauf gründet, einfach gegen meist alles zu sein, darf Bruder Hayato die Luft der Regierenden schnuppern. Die Christdemokraten in Tschechien sind ein recht wendiger Verein, der es versteht, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. In den 1990ern haben sie mit Václav Klaus und seinen Bürgerdemokraten regiert, in den nuller Jahren mit den Sozialdemokraten, und von 2013 bis 2017 haben sie Andrej Babiš und seine ANO-Bewegung als kleinerer Koalitionspartner in der Regierung gehalten.

Bei diesen Wahlen haben sie zusammen mit der Bürgerpartei und ihrem eigenen Abspalter, der TOP 09, schon vor den Wahlen ein Anti-Babiš-Bündnis geschmiedet: Spolu, zu deutsch „gemeinsam“, hat die Wahlen mit einem Vorsprung von 0,6 Prozent gegenüber Babiš gewonnen. Die Eröffnungssitzung des neuen Abgeordnetenhauses am Montag war dann auch die Bühne, auf der die neue Koalition sich zum Regieren bereit erklärt hat. Zum Dreierbündnis Spolu kommen hier noch die Piraten und die Bürgermeisterpartei hinzu, um so eine bequeme Mehrheit von 108 Mandaten gegenüber den 92 der Opposition aus Babiš’ und Okamuras Parteien zu bilden.

Es ist eine breite Koalition, die sich um den designierten Ministerpräsidenten Petr Fiala gesammelt hat. Katholiken vom Land, Bildungsbürgertum aus den Städten, ehemalige Sozialdemokraten bis hin zum linken Rand sind in der neuen Regierung repräsentiert. Die verspricht vor allem einen Neuanfang nach Andrej Babiš und ein klares Ja zu europäischen Strukturen und Bündnissen. Zu ihren Zielen zählt unter anderem die Senkung des Haushaltsdefizits.

Doch bevor das Abgeordnetenhaus am Mittwoch zur ersten richtigen Sitzung kommt, werden schon erste Zweifel laut. Denn Tschechien blickt mit Sorgen in die Zukunft: Zwei Drittel der Bevölkerung glauben einer Umfrage von Meinungsforschern zufolge nicht, dass die neue Regierung dem Land viel an Stabilität bringen wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.