Anti-Militär-Proteste in Sudan: Machtkampf auf den Straßen

In Sudan geht das Militär brutal gegen Demonstranten vor, mindestens 15 Menschen sterben. Ein Großteil der Bevölkerung lehnt den Putsch ab.

Viele protestieren auf den Straßen

Menschen ziehen in Khartum am 17.11. durch die Straßen Foto: Marwan Ali/ap

AMSTERDAM taz | Es war eine blutige Woche im Sudan. Nachdem am Mittwoch mindestens 15 Menschen bei Protesten getötet wurden, haben die Europäische Union und die Vereinten Nationen das Vorgehen des Militärs am Donnerstag verurteilt. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet sprach von einem „absolut schändlichen“ Einsatz scharfer Munition. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, „dieses sinnlose Töten“ sei nicht hinnehmbar.

Die Demonstran­ten, vor allem junge Menschen, waren in Sudans Hauptstadt Khartum erschossen worden, wie Videos in sozialen Medien zeigen. Ärztegewerkschaften meldeten, dass im ganzen Land Hunderte Menschen verletzt worden seien und dass ein gravierender Mangel herrsche an medizinischem Personal, Blut und Medikamenten. Viele Verletzte befänden sich in kritischem Zustand.

Aktivisten hatten für Mittwoch zu Massendemonstrationen aufgerufen, um den Tag zu markieren, an dem eigentlich ein Zivilist die Führung vom sogenannten Souveränen Rat übernehmen sollte. Doch General Abdel Fattah al-Burhan, der Mann, der den Putsch anführte, hatte die Regierung entlassen und sich zum Vorsitzenden eines neuen Rats ernannt. Damit hat Burhan den geplanten Übergang zu einem demokratischen System durchkreuzt, mehr als zwei Jahre nachdem ein Volksaufstand die Absetzung von Langzeitherrscher Omar al-Baschir erzwang.

Während seit Oktober 40 Menschen getötet worden sind, weigert sich ein Großteil der Bevölkerung weiter, die Machtübernahme durch das Militär zu akzeptieren. „Wir lassen unsere Geschichte nicht zensieren“, sagt ein Student, der anonym bleiben möchte, am Telefon. „Unsere Stimme wird gehört werden, egal, wie viele von uns sterben müssen.“

Geldhahn zugedreht

Obwohl die Militärs derzeit die Macht innehaben, stellt sich die Frage, ob der Putsch tatsächlich gelungen ist. Es scheint, als hätten Burhan und seine Offiziere nicht lange über den Schritt nachgedacht. Dieser scheint in erster Linie eine Militäroperation gewesen zu sein, die die politische Klasse zwingen sollte, sich den Militärs anzuschließen. Doch der abgesetzte Premierminister, der Zivilist Abdalla Hamdok, weigert sich trotz Aufforderung durch die Putschisten, eine neue Regierung zu bilden. Von Baschir-Anhängern abgesehen gibt es in der Bevölkerung kaum Unterstützung für das Militär.

Der Staatsstreich wurde durch die internationale Gemeinschaft großenteils verurteilt. Internationale Organisationen wie auch die USA drehten den Geldhahn zu. Dabei ist finanzielle Hilfe derzeit wichtig, um die sudanesische Wirtschaft anzukurbeln. Selbst Geldgeber wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), eigentlich enge Verbündete von General Burhan, haben ihre finanziellen und diplomatischen Grenzen. Beide Staaten haben das sudanesische Militär aufgefordert, die von Zivilisten geführte Übergangsregierung wiederherzustellen.

Saudi-Arabien und die VAE haben wirtschaftliche Interessen in Sudan und würden von einem stabilen zivilen Regime durchaus profitieren. Doch wie auch Ägypten hegen sie gegenüber demokratischen Systemen Misstrauen. Gleichzeitig herrscht die Furcht, dass es Streit innerhalb der Armee gibt. Es ist kein Geheimnis, dass viele Soldaten Sympathien haben für die zivilen Demonstranten. Schließlich sind die Lebensumstände normaler Soldaten nicht sonderlich gut, während Offiziere oft riesigen Reichtum angehäuft haben.

Hauptverantwortlich für die Schüsse vom Mittwoch ist indes die Miliz Rapid Support Forces (RSF), die zwar Teil der Armee ist, aber unter der Führung von General Mohamed Dagalo Hametti Autonomie genießt. Dieser ist Vizepräsident des Souveränen Rates. Obwohl vieles Burhan und Hametti verbindet, gibt es auch Berichte über Spannungen zwischen den beiden. RSF-Kämpfer sind hinsichtlich der Lebensumstände und der Ausrüstung bessergestellt als die Soldaten der Armee.

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