Besonderheiten des American Football: Zur Theorie des Punters

Bislang galten die Spieler, die den Ball nach vorne schlagen, als langweiliges Beiwerk des American Football. Bald könnte sich das ändern.

Beim American Football tritt Punter Matt Araiza für San Diego State gegen den Ball.

Matt Araiza (l.) erzielt ein Fieldgoal Foto: ap/Garcia

Im Football sind die Rollen klar verteilt. Der Star der Mannschaft ist immer (um das noch einmal klarzustellen: immer!) der Quarterback. Die schnellen Passempfänger und einen besonders gefährlichen Verteidiger, der den Quarterback des Gegners auf den Rücken legt, kennt man vielleicht noch mit Namen. Aber wenn der Punter aufs Spielfeld trottet, dann geht der Fernsehzuschauer aufs Klo und der Stadionbesucher holt sich noch ein Bier.

Das ist seit neuestem anders, zumindest im Dignity Health Sports Park, wo die San Diego State Aztecs spielen. Wenn deren Punter Matt Araiza zur Erledigung seines Job schreitet, dann bleibt der Bierstand verwaist. In den sozialen Medien entwickeln sich die kurzen Filmchen, in denen er einen Football in die Luft kickt, zu Klickmonstern. Selbst Matt Araiza, der neue Star des College Football, ist davon überrascht: „Ich hätte nie gedacht, dass man so viel Aufmerksamkeit für das Treten eines Footballs bekommen kann.“

Kurze Erklärung: Punten ist immer dann nötig, wenn die Angriffsbemühungen eines Teams zu nichts führen. Dann soll der Punter den Ball per Fuß möglichst weit in des Gegners Hälfte befördern, um der anderen Mannschaft den Weg zum Touchdown möglichst lang zu machen. Ein Punter soll den Football aber nicht nur weit kicken, sondern auch hoch, damit seine Kollegen aus dem Punt-Team die Möglichkeit haben, unter dem Ball mitzulaufen und den Versuch des Gegners, den Ball zurückzutragen, schon im Keim zu ersticken. Doch damit sind wir schon mittendrin in den technischen Details, die den gemeinen Fan ungefähr so interessieren wie einen Fußball-Ultra ein Einwurf an der Mittellinie.

Dass der Punter immer dann zum Einsatz kommt, wenn im eigenen Angriff nichts geht, macht ihn zum Symbol für Erfolglosigkeit. Dazu kommt noch, dass so ein Punt an Slapstick erinnert: Ein Punter wirkt immer wie jemand, dem man eine heiße Kartoffel zugeworfen hat, die er nun versucht, irgendwie loszuwerden. Ein Punter ist niemand, über den sein Trainer das sagt, was Aztecs-Coach Brady Hoke am jüngst über Araiza sagte: „Matt ist unsere beste Waffe.“

Warum ein Punter entscheidend sein kann

Football-Trainer gehörten bislang zu den wenigen Menschen, die Punter tatsächlich zu schätzen wussten. Denn der Erfolg eines Teams hängt zu einem nicht unerheblichen Teil von den gerne vernachlässigten Special Teams ab, die beim Kickoff, bei Fieldgoals oder eben beim Punt ins Spiel kommen. Und ein guter Punter ist entscheidend, wenn es um die sogenannte Feldposition geht. Ob eine Offensive ihren Versuch, einen Touchdown zu erzielen, an der eigenen Mittellinie beginnt oder kurz vor der eigenen Endzone mit dem Rücken an der Wand steht, kann spielentscheidend sein. Wenn der Punter den Ball von der eigenen Endzone bis kurz vor die generische treten kann, dann verwandelt er mit einem einzigen Kick eine miese Feldposition in eine gute – und verändert die ganze Taktik und Psychologie des Spiels.

Früher ging der Fan, wenn der Punter aufs Spielfeld trottet, aufs Klo

Genau so ein Punter ist Matt Araiza. Der 21-Jährige, der das Kicken beim Fußball-Training lernte und in der Highschool auch als Sprinter reüssierte, hat ein dermaßen kräftiges linkes Bein, dass seine Punts regelmäßig über die Köpfe verdutzter Kick-Returner hinwegsegeln. Aber nicht nur gegnerische Spieler sind überrascht, auch Kameraleute verlieren immer wieder seine Kicks, die regelmäßig über 70 Yards weit fliegen, aus dem Bild. In diesem Jahr hat Araiza bereits zwei Punts über 80 Yards weit getreten, einer flog sogar 90 Yards weit – zum Vergleich: In der NFL gab es in den vergangenen acht Jahren insgesamt zwei Punts, die so weit flogen. Auch als Kicker ist Araiza nicht schlecht und versenkt relativ sicher Fieldgoals aus mehr als 50 Yards Entfernung.

Bei vielem NFL-Teams wird nun hinter den Kulissen bereits diskutiert, ob man sich beim kommenden Draft im nächsten Frühjahr die Rechte an Araiza sichern sollte – und vor allem: wann. Denn zwar sind sich alle Experten einig, wie wertvoll ein herausragender Punter sein kann, aber trotzdem scheuen sich die Manager, für einen Kick-Spezialisten einen frühen Draft-Pick zu benutzen. Die sind Quarterbacks oder anderen Spielern vorbehalten, die sich zum Star einer Mannschaft entwickeln können. Ein Punter aber war noch nie der Star eines Teams in der hundertjährigen Geschichte der NFL. „Ich würde mich freuen, wenn ich einen kleinen Beitrag leisten könnte, dieses Narrativ zu verändern“, sagt Matt Araiza. Wenn einer das Potenzial dazu hat, dann er.

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