Coronastrategie in der vierten Welle: Spahn zurück aus Stand-by-Modus

Der Gesundheitsminister will die Impfzentren für Booster-Impfungen wieder eröffnen. Sein Vorschlag gefällt aber nicht allen.

Eine Person wird gegen Covid-19 geimpft

Jens Spahn wirbt für Auffrischimpfungen Foto: Bundesgesundheitsministerium/dpa

BERLIN taz | Die Coronapandemie ist zurück – und zwar mit voller Wucht. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland ist laut Angaben des Robert-Koch-Instituts am Montag auf 154,8 gestiegen. Vor einer Woche lag sie noch bei knapp 110. Kein Wunder, dass nun auch in der Bundespolitik wieder rege darüber diskutiert wird, mit welchen Mitteln man die Pandemie eindämmen kann. Jens Spahn (CDU), der sein Amt als Bundesgesundheitsminister nur noch geschäftsführend ausübt, fordert nun die Reaktivierung der großen Impfzentren in Deutschland, die das Bundeskabinett Ende September in den „Stand-by“-Modus versetzt hatte.

Die Regierung hatte seitdem die nationale Impfstrategie auf kleinere mobile Teams und Hausärzte verlagert. Allein die Arztpraxen könnten bis zu 5 Millionen Impfungen pro Woche schaffen, versprach Spahn Mitte August. Doch die Strategie ist offenbar nicht aufgegangen. Seit Ende September ist die Impfquote in Deutschland um gerade einmal 1,3 Prozentpunkte gestiegen, stattdessen steigen die Hospitalisierungsraten.

Dennoch setzte Spahn sich für ein Ende der vom Bundestag beschlossenen epidemischen Notlage ein – die Ampelkoali­tionäre folgten dem Vorschlag. Nun sollen also die Impfzentren im Kampf gegen die Pandemie wieder eine wichtige Rolle spielen. Der Schwerpunkt liegt dieses Mal allerdings nicht nur auf Erstimpfungen, sondern vor allem auf bereits Geimpften, die Spahn mit Auffrischungsdosen weiter schützen will. Der Vorschlag wird von dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach unterstützt.

Allerdings rufen Spahns Pläne auch Irritationen hervor. „Es war schließlich der gleiche Minister, der die Finanzierung der Impfzentren und die Belieferung der Länder mit Impfstoff zum 30. September eingestellt hat“, sagte etwa Daniela Behrens, niedersächsische SPD-Gesundheitsministerin, am Montag. Die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) kann der Impfzentren-Reaktivierung ebenfalls wenig abgewinnen. Die Hansestadt sei schließlich erst vor vier Wochen gezwungen worden, ein großes Zentrum zu schließen.

Linke kritisiert fehlende Weitsicht

Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, hat wenig Verständnis für den Wankelmut des Ministers: „Erst Impfzentren schließen, um sie dann wieder kurzfristig zu öffnen, hat nichts mit Weitsicht zu tun“, sagte Ferschl der taz. Der scheidende Gesundheitsminister wolle „als Mann der Tat in Erinnerung bleiben“, dabei habe er stets nur Ad-hoc-Maßnahmen ergriffen.

Interessanterweise hatte Spahn im August schon davon gesprochen, künftig Booster-Dosen anzubieten. Die Stilllegung der Impfzentren wurde trotzdem vollzogen. Nun wird sich zeigen, wie schnell die Impfzentren wieder von Stand-by auf Betrieb umschalten können. Von den 50 Impfzentren in Niedersachsen wurden zum Beispiel nach Angaben der Landesregierung nur die Ausstattung von 8 Standorten eingelagert.

In Berlin, wo die Landesregierung den Betrieb von zwei Impfzentren aufrecht erhalten hat, rühmt man sich dagegen mit den erreichten Erfolgen. SPD-Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci sagte am Montag, man habe in der Hauptstadt über 70 Prozent mehr Auffrischungsimpfungen als im Bundesdurchschnitt. Es sei genau richtig gewesen, die Impfzentren aufrechtzuerhalten.

Offenbar zweifeln viele an Spahns Gesundheitspolitik. Auch sein zweiter Vorschlag, einen erneuten Bund-Länder-Gipfel zu Impfungen einzuberufen, stieß etwa bei der Hamburger Gesundheitssenatorin Leonhard auf Skepsis. Sie wisse nicht, was ein derartiges Treffen noch befördern soll. Auch der scheidende Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, äußerte sich ablehnend. Zustimmung fand Spahn dagegen bei dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und dessen Amtskollegin Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern.

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