EuGH verhängt Zwangsgelder gegen Polen: Legitime Nötigung

Eine Million Euro EU-Zwangsgeld gegen Polen pro Tag klingt nach Bazooka. Doch richtig weh tut der PiS-Regierung etwas anderes.

Premierminister Mateusz Morawiecki vor Flaggen.

Der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki spricht von Erpressung Foto: Pascal Rossignol/reuters

Polens Justizminister Zbigniew Ziobro wütete, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) in dieser Woche tägliche Zwangsgelder gegen Polen angeordnet hat. „Nicht einen einzigen Złoty“ werde man an die EU überweisen, kündigte er an.

Was nach einer dramatischen neuen Eskalation klingt, ist für die EU aber nur Theaterdonner. Wenn Polen die Zwangsgelder nicht überweist, dann werden sie eben bei Zahlungen der EU an Polen abgezogen. Die EU sitzt meist doch am längeren Hebel.

Grund für die Verhängung der Zwangsgelder ist die rechtsstaatswidrige Disziplinarkammer, die Polen am Obersten Gericht weiterarbeiten lässt. Der EuGH verlangt deshalb eine Million Euro – pro Tag. Zu zahlen, bis Polen eine Anordnung des EuGH vom April endlich akzeptiert und die Tätigkeit der Disziplinarkammer aussetzt.

Es geht hier nicht um Strafen für vergangenes Verhalten, sondern um Zwangsmittel, die den Zustand in der Zukunft verbessern sollen. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat nicht Unrecht, wenn er von „Erpressung“ spricht. Ja, es geht um Nötigung, aber um eine legale und legitime Nötigung zur Durchsetzung von EU-Recht.

Um schmerzhafte Beträge geht es beim Corona-Aufbaufonds

Eine Million Euro pro Tag, das klingt zwar nach Bazooka. Doch was für eine Privatperson oder ein kleineres Unternehmen den schnellen Ruin bedeuten würde, ist für einen mittelgroßen Staat wie Polen kaum mehr als verschärfte Symbolik.

Zum Vergleich: Die EU-Kommission hält derzeit 24 Milliarden Euro Zuschüsse zurück, die Polen aus dem Corona-Aufbaufonds beansprucht. Dort geht es um Summen, die auch einem Staat wie Polen wehtun. Wenn die EU wegen der schwindenden Rechtsstaatlichkeit echten finanziellen Druck auf Polen ausüben will, dann spielt die Musik eher dort.

Die Zwangsgelder im Verfahren wegen der Disziplinarkammer spielen sich in Größenordnungen ab, die eher die Bür­ge­r:in­nen beeindrucken.

Deshalb sind sie aber keineswegs irrelevant. Denn letztlich kann die Lösung des Konflikts um die polnische Justiz nur aus Polen selbst kommen. Entweder wird die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) abgewählt. Oder ihr Versuch, die polnische Justiz gleichzuschalten, wird so unpopulär, dass die Polen regierende Partei ihn freiwillig aufgibt, um nicht abgewählt zu werden.

Es ist besser, deutlich zu werden

Die jetzt verhängten Zwangsgelder unterstützen einen solchen atmosphärischen Wandel. Außerdem zeigt der EuGH dabei Flagge und legitimiert so zumindest indirekt das Zurückhalten der Milliarden aus dem Coronafonds.

Bei einer grundsätzlich europafreundlichen Bevölkerung wie in Polen sind solche Sanktionen auch nicht kontraproduktiv. Hier ist es sogar besser, deutlich zu werden. Hasenfüßigkeit würde eher auf Unverständnis stoßen.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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