Sondierungen in Berlin: Es leutet Rot-Grün-Rot

Franziska Giffey (SPD) wird Regierende Bürgermeisterin – doch in der Koalitionsfrage haben die Grünen einen wichtigen Etappensieg errungen.

Bettina Jarasch, Grüne, steht am Mirko und gibt ein Statement zu wohl kommenden neuen rot-grün-roten Regierung in Berlin ab

Bettina Jarasch (m.) und die Berliner Grünen-ParteichefInnen Nina Stahr und Werner Graf am Freitag Foto: picture alliance/dpa | Philipp Znidar

BERLIN taz | Am Wahlabend war Franziska Giffey (SPD) die Siegerin, doch die Amtszeit der designierten Bürgermeisterin könnte mit einer Schlappe beginnen: Mit ihrer Präferenz für eine Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP konnte sie sich nicht durchsetzen. Nicht gegenüber den Grünen, die Rot-Grün-Rot präferierten, und auch nicht gegenüber weiten Teile ihrer eigenen Partei, die sich mit der FDP ebenfalls nicht anfreunden mochten als Koalitionspartner. Am Donnerstag war klar: Es wird weiter sondiert – und zwar mit den Linken.

Damit ist die Ampel-Option für Franziska Giffey (erstmal) praktisch erloschen. Eine Möglichkeit ist natürlich, dass auch Koalitionsgespräche noch platzen können – Streitthemen zwischen SPD, Grünen und Linken gäbe es genug: der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnkonzerne ist ein Beispiel. Der Weiterbau der A100 ist ein anderes. Dann könnte die Ampel plötzlich doch wieder leuchten.

Doch zunächst mal lässt der mit allen Partnern vereinbarte Zeitplan kaum mehr etwas anderes zu als Rot-Grün-Rot: Bereits Freitagabend wollen SPD, Grüne und Linke ein gemeinsames Papier nach den Sondierungen beschließen. Giffey will es noch am Freitagabend dem Landesvorstand als Basis für die Aufnahme von Koalitionsgesprächen vorschlagen. Die Linke will am Dienstag auf einem Parteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abstimmen, zuvor ist am Montagabend eine Abstimmung im Landesvorstand geplant. Die Grünen haben ebenfalls für Montag einen Kleinen Parteitag angekündigt. Am Mittwoch, sagte Giffey, könne es mit Koalitionsverhandlungen losgehen.

Für Giffey wird es nun schwer. Die Koalitionsverhandlungen dürften hart werden, und Giffeys Standing ist geschwächt: sowohl innerparteilich als auch gegenüber dem kleineren Koalitionspartner Grüne – die sich nun aber in der Koalitionsfrage (vorerst) durchgesetzt haben und auch bei der Wahl mit lediglich 2,5 Prozentpunkten Abstand auf den zweiten Platz verwiesen wurde. Die Grünen dürften nun als zu Recht selbstbewusste VerhandlerInnen in die Koalitionsgespräche gehen.

Eine gespaltene SPD

Und innerhalb ihrer Partei mag Giffey mit dem Schwenk auf Rot-Grün-Rot einen (lauten) Teil ihrer Partei zufriedengestellt haben. Aber sie hat eben auch einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Partei enttäuscht, die ein Bündnis mit den Liberalen befürwortet hätten und die vor allem mit den Linken als BefürworterInnen des Enteignen-Volksentscheids nicht viel anfangen können. Letzterer Teil der GenossInnen war zwar öffentlich leiser während der letzten Tage, aber klar ist auch: Der Wahlkampf von Giffey hinterlässt eine gespaltene SPD.

Insbesondere eben in der Frage, wie man mit dem Enteignen-Volksentscheid umgehen will, dürfte es schwierige Diskussionen geben. Jarasch deutete an, dass man auch deshalb am Freitag nochmal mit der Linken weitersondiere. Die Linke kann kaum von ihrem bisher eindeutigen Pro zum Volksentscheid abrücken. Die Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen meldete sich am Donnerstag auch sogleich zu Wort: Nun müsse schnell eine „verbindliche Zusage“ der Koalitionspartner kommen, mit der „Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzes zu beginnen“, sagte ein Initiativen-Sprecher.

Giffey wiederum hatte im Wahlkampf die Rote Linie gezogen: Enteignen, mit ihr nicht. Wie sich ein Kompromiss in einem gemeinsamen Sondierungspapier lesen könnte – dem die Landesvorstände und Delegierten dann ihr „Go“ geben sollen – ist völlig unklar.

Die Grünen hingegen dürften ihrerseits insbesondere beim Thema Klima und Verkehr nun sehr bestimmt auftreten: Jarasch sagte am Freitag, am Klimaschutz „wird sich diese künftige Regierung messen lassen müssen“. Sie strebe eine „ökosoziale Koalition“ an.

Das Umwelt- und Verkehrsressort, ein Schlüsselressort für die nächste Legislatur, dürften die Grünen für sich beanspruchen. Und Jaraschs Statement kann durchaus als Bewerbung für diesen Posten gelesen werden. Die Grünen, das haben sie im Wahlkampf betont, würden gerne Autos mit Verbrennermotor aus der Innenstadt verbannen. Jarasch selbst hatte vorgeschlagen, den Bau der A100 zu stoppen. Giffey lehnt beides ab.

Wie setzt sich Giffey durch?

In Berlin hat die Regierende Bürgermeisterin die Richtlinienkompetenz. Sie entscheidet also – mit Zustimmung des Parlaments – über die großen Linien und Zielsetzungen in der Landespolitik. Es wird noch interessant sein zu sehen, wie eine Regierende Bürgermeisterin Giffey sich in Zukunft durchsetzen wird.

Im besten Fall kann die Stadt profitieren von einem rot-grün-roten Bündnis, das an vielen Stellen eben nicht einfach so weitermacht wie bisher – weil die Bilanz, etwa bei der Verkehrs- und Klimapolitik, durchaus nicht nur positiv war. Die Grünen, die dort die zuständige Senatorin stellten, könnten beweisen, dass es stimmt, was Jarasch im Wahlkampf gerne behauptet hat: Die Weichen, auch für die Verkehrswende seien gestellt, jetzt gehe es ans Umsetzen – von mehr Radwegen, von mehr Tramstrecken, von mehr Grünflächen in der City.

Im schlechtesten Fall aber stellt sich der Senat in der kommenden Legislatur in entscheidenden Bereichen gegenseitig ein Bein. „Loyal, kooperativ, verlässlich“ wolle man Berlin regieren, sagte Jarasch am Donnerstag. Auch an diesen Worten würde sich diese nun möglicher gewordene Koalition in Zukunft messen lassen müssen.

Eine frühere Version dieses Textes wurde um 17 Uhr aktualisiert.

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