Geheimdienste vor Kontrollgremium: Nun doch Extremisten aufgespürt

Die deutschen Geheimdienste geben öffentlich zu: Es geht eine Gefahr von Rechtsextremen in Sicherheitsbehörden aus. Aber was folgt daraus?

Haldenwang, Rosenberg und Kahl

Haben das Problem in den eigenen Reihen inzwischen erkannt: die Che­f:in­nen der Geheimdienste Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz Geheimnisse werden hier heute nicht verraten, da muss der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, Roderich Kiesewetter (CDU), das Publikum enttäuschen. Aber bei der jährlichen öffentlichen Anhörung wollen die Kon­trol­leu­r*in­nen der Nachrichtendienste ihre Arbeit ein bisschen transparenter machen, am Mittwoch zum fünften Mal. Das Gremium hat sich nach der Bundestagswahl noch nicht neu konstituiert, es arbeitet in der alten Besetzung weiter, bis es eine neue Bundesregierung gibt.

Thomas Haldenwang, der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, beginnt im kreisrunden Europasaal gleich mit dem Thema, das die Sitzung beherrschen wird: „Wie ein Mantra trage ich vor“, sagt er: „Die größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland geht weiter vom Rechtsextremismus aus.“

Das hat er wirklich schon oft gesagt, aber was dann kommt, ist bemerkenswert: „Besorgniserregend ist auch, dass in diesen Netzwerken nicht selten Angehörige der Sicherheitsbehörden und Streitkräfte vertreten sind.“ Diese Personen stellten durch ihre Ausbildung und Zugang zu Waffen eine besondere Gefahr dar.

Diese Gefahr wurde von offizieller Seite lange negiert und dann kleingeredet, auch bei vorigen Anhörungen dieser Art. Das Parlamentarische Kontrollgremium hat sich intensiv mit dem Problem auseinandergesetzt und so sind die Äußerungen auch eine Bestätigung für die Abgeordneten, dass die von ihnen geforderten Reformen offenbar Wirkung zeigen.

Mehr Ausstausch zwischen den Behörden

Für die Präsidentin des Bundeswehrgeheimdienstes MAD ist es der erste große Auftritt, sie ist erst seit knapp einem Jahr im Amt, vorher war sie Bundeswehrdisziplinaranwältin. „Der MAD hat ein turbulentes Jahr hinter sich“, liest Martina Rosenberg von ihrem Tablet ab.

Und auch sie sagt: „Das bestimmende Thema für den MAD im letzen Jahr war der Phänomenbereich Rechtsextremismus.“ Von rund 1.400 Verdachtsfällen, die derzeit bearbeitet werden, würden 85 Prozent den Bereich Rechtsextremismus betreffen. Der Schwerpunkt werde auf absehbare Zeit auch so bleiben. Der MAD hatte besonders mit dem Eliteverband KSK zu tun und mit Munition, die bei der Bundeswehr verschwunden und bei Rechtsextremen wieder aufgetaucht ist.

„Der Blick über den Kasernenzaun hat sich sehr positiv entwickelt, sagt Rosenberg und auch BfV-Chef Haldenwang betont, wie gut die Zusammenarbeit der Behörden inzwischen funktioniere. Gerade bei der Beobachtung rechtsextremer Soldaten hat es in der Vergangenheit eklatante Lücken gegeben.

Inzwischen tauschen sich die Dienste unter anderem in einer „AG Reservisten“ über verdächtige Personen aus und der MAD hat nun auch Zugriff auf die Nadis-Datenbank des Verfassungsschutzes. Die Zahl an Soldat*innen, die am Ende als Ex­tre­mis­t*in­nen eingestuft werde, ist aber nach wie vor gering: 23 Fälle seit Anfang 2020.

Auch BND soll sich mit Rechten beschäftigen

Haldenwang kündigte für das kommende Frühjahr die zweite Auflage des Lagebildes von Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden an. Es sei davon auszugehen, dass es mehr Fälle geben werde. Das sei aber eine „Scheinzunahme“. Die Problemfälle habe es schon vorher gegeben, es gebe nun aber mehr Sensibilität und eine größere Bereitschaft, Vorfälle anzuzeigen.

Es gebe eine Vielzahl an Verbindungslinien sowie Kenn- und Austauschverhältnisse zwischen den Rechtsextremisten, so beschreibt es Haldenwang. „Aber es gibt nicht die Spinne im Netz, die Einfluss hat auf das hat, was im Netzwerk passiert.“ Auch bei privaten Sicherheitsfirmen seien oft Rechtsextremisten beschäftigt.

Im Detail gibt es dann aber doch unterschiedliche Wahrnehmungen des Problems. MAD-Chefin Rosenberg führt aus, es gehe darum, welche Zielsetzung rechtsextreme Netzwerke hätten. „Dass es ihnen um die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung geht, haben wir so in der Bundeswehr nicht feststellen können.“

Der Abgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) entgegnet mit Verweis auf Todeslisten, Munition, Waffen, Tag-X-Szenarien. „Steht nicht Tag X für die Abschaffung der Bundesrepublik, wie wir sie kennen?“, fragt er. Rosenberg sagt, es gehe bei „Bestrebung“ um ein „aktives Handeln“. „Was wollen denn diese Netzwerke? Wollen die die Bundesrepublik auf demokratische Weise verändern?“, fragt von Notz.

Die MAD-Chefin spricht davon, dass diese Personen schon eine antidemokratische Zielrichtung im Gedankengang hätten. „Deshalb haben wir diese Personen auf der Agenda und teilen das mit anderen Bereichen, um genau das zu verhindern.“ Nach der Sitzung wird der Abgeordnete von Notz von „rechtlichen Defiziten“ sprechen, die es bei der Bewertung von Netzwerken gebe. „Daran wollen wir arbeiten.“

Auch der für das Ausland zuständige Bundesnachrichtendienst beschäftigt sich seit einiger Zeit mit dem Thema Rechtsextremismus, bei der nun anstehenden Strukturreform werde der Bereich „eine eigene Rolle“ bekommen, denn es gebe da auch internationale Bezüge, sagt BND-Chef Bruno Kahl.

Kahl gesteht ein, dass der BND die Lage in Afghanistan falsch eingeschätzt habe. Die interne Revision werte das gerade aus. „Das kritische Hinterfragen von eigenen Annahmen soll künftig eine größere Rolle spielen.“

Üblicherweise lassen Geheimdienstchefs keine Gelegenheit aus, um Wunschzettel zu formulieren: mehr Befugnisse, mehr Ressourcen und mehr Personal. Dieses Mal ist das nicht so, die Politik ist den Diensten da in der vergangenen Legislaturperiode schon genügend entgegengekommen. Jetzt gibt es eher das Problem, wo die neuen Mitarbeitenden alle arbeiten sollen. Das Bundesamt für den Verfassungsschutz wird vor allem am Standort Berlin neue Büros bauen. Was das alles kosten wird? Das wird in der öffentlichen Sitzung nicht beantwortet, denn das ist geheim.

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