Neues in den Berliner Programmkinos: Gangster, Punks und Ausbruch

Diese Woche: Klassiker von John Carpenter, Jean-Pierre Melville und Robert Bresson. Und die Doku „Shane“ über The Pogues-Gründer Shane MacGowan.

Der Musiker Shane MacGowan steht vor einer Wand, die mt Postern der Band "Pogues" beklebt ist

Schrieb für The Pogues einen der meistgehörten Weihnachtssongs in UK: Shane MacGowan Foto: mm filmpresse; © Andrew Catlin, 1986

1976 war John Carpenters zweite Regiearbeit „Assault on Precinct 13“, in dem sich eine Notgemeinschaft aus Polizisten und Schwerkriminellen in einem fast verlassenen Polizeirevier gegen eine grundlos angreifende und völlig gesichtslose Ghettobande verteidigen muss, für viele Medienkritiker ein Musterbeispiel eines Films mit „sinnlosen Gewaltdarstellungen“.

Dabei ist Carpenters Film tatsächlich nichts anderes als ein spannend modernisiertes Spiel mit den Mythen des Westerngenres: „Rio Bravo“, „Stagecoach“, „Western Union“ – wer sich ein bisschen auskennt, kann die Klassiker in den Situationen und der Charakterisierung der Figuren zweifellos wiederentdecken. Der Film läuft in der Reihe „50 Jahre FK66“, mit der das Charlottenburger Off-Kino Filmkunst 66, das lange Jahre untrennbar mit dem Namen des 2017 verstorbenen Betreibers und Programmmachers Franz Stadler verbunden war, sein 50-jähriges Jubiläum feiert (8.10., 22.30 Uhr, Filmkunst 66).

Als Shane MacGowan in den 80er-Jahren The Pogues gründete, verbanden er und seine Mit­strei­te­r:in­nen die traditionelle irische Folkmusik mit der Energie des Punk und schufen damit eine ganz und gar zeitgenössische Londoner Großstadtmusik. Heute ist der „Retter des irischen Folk“ durch jahrzehntelangen Alkohol- und Drogenmissbrauch – und durch einen Unfall, der ihn an den Rollstuhl fesselt – schwer gezeichnet.

„Shane“: Dichtes Netz aus Stimmungen

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Regisseur Julien Temple, künstlerisch wie MacGowan der frühen britischen Punkszene entstammend, hat mit „Shane“ ein schönes dokumentarisches Porträt des Musikers geschaffen – in seiner unnachahmlichen Art in Form eines dichten Netzes von Bildmaterial aus Dokumentar- und Spielfilmausschnitten, Interviews, Animationen und nachinszenierten Szenen, in denen es weniger um das Nachstellen von Ereignissen als um das Erzeugen von Stimmungen geht (7.10., 11.10., 21.30 Uhr; 9.10., 23.40 Uhr, Kino Zukunft).

Der französische Regisseur Jean-Pierre Melville war ein Meister der Stilisierung und des makellos effizienten Erzählens. Am bekanntesten sind sicherlich seine brillanten Kriminalfilme, in denen er immer wieder der Idee von der Austauschbarkeit von Polizisten und Verbrechern nachging: Schon rein äußerlich sind sie in ihren Regenmänteln und Hüten kaum voneinander zu unterscheiden, in ihrer kühlen Besessenheit und ihrem Moralkodex noch weniger.

So auch in „Vier im roten Kreis“ (1970), in dem drei Gangster – unter ihnen ein ehemaliger Polizeischarfschütze (Yves Montand) mit Alkoholproblem – einen perfekten Einbruch bei einem Juwelier unternehmen, während sich ein Kommissar auf ihre Spuren begibt. Fatalistisch bewegen sich die Männer aufeinander zu in diesem düsteren und pessimistischen Film, dem vorletzten von Melville, der 1973 sehr verfrüht an einem Herzinfarkt verstarb (13.10., 20 Uhr, Klick Kino).

In inszenatorischer Hinsicht, in der großen formalen Strenge und der enormen Effizienz des Erzählens unterscheiden sich die Filme Robert Bressons nicht sonderlich von denen Melvilles. Nur der Entertainmentfaktor fehlt. Auch in „Ein zum Tode Verurteilter ist entflohen“ (1956), in dem Bresson die Flucht eines Widerstandskämpfers aus einem Nazigefängnis in Lyon sorgfältig rekonstruiert, verzichtet der Regisseur selbstredend auf jedwede Action und zeigt stattdessen die Routine des Gefängnisalltags und die peniblen Vorbereitungen des Ausbruchs.

Gefilmt hat Bresson vornehmlich Großaufnahmen, vor allem von Händen, die das Bohren durch die hölzerne Türfüllung der Zelle und das Knüpfen von Seilen aus Kleidungsstücken und Decken übernehmen (8.10., 21 Uhr, Wolf Kino).

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Lars Penning, geboren 1962. Studium der Publizistik, Theaterwissenschaft und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft an der FU Berlin. Freier Filmjournalist. Buchveröffentlichungen: Cameron Diaz (2001) und Julia Roberts (2003). Zahlreiche filmhistorische und –analytische Beiträge für verschiedene Publikationen. Lebt in Berlin.

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