Aus für Amnesty in Hongkong: Corona, Chinas Helfer

Die Zivilgesellschaft in Hongkong ist praktisch am Ende. Wahrscheinlich hätte der Stadt in drei Jahrzehnten ohnehin dieses Schicksal gedroht.

Hochhäuser hinter einem Stacheldrahtzaun.

Als Peking das „Sicherheitsgesetz“ aufzwang, hatte die Welt andere Sorgen Foto: Tyrone Siu/reuters

Als Zyniker könnte man dem Fall Hongkongs eine gewisse Faszination attestieren. Denn selten zeigte sich eindrücklicher, wie rasant aus einer einst offenen Metropole mit vibrierender Zivilgesellschaft ein autoritärer Albtraum werden kann. Mit dem erzwungenen Rückzug der Menschenrechtsorganisation Amnesty International aus Hongkong ist mit Sicherheit nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Doch er belegt eindrücklich, dass sich die kritischen Reihen der Zivilgesellschaft endgültig gelichtet haben.

Wenn man sich an die Feierabendgespräche mit China-Korrespondenten von vor zwei Jahren erinnert, bleibt nur ein ungläubiges Staunen ob der eigenen Naivität: Die hoffnungsvolle Demonstrationsbewegung mobilisierte im Wochentakt Hunderttausende Hongkonger, während Pekings Staatsführung nicht gewillt schien, mit seiner Volksbefreiungsarmee einzuschreiten. Dass sich die Lage in nur wenigen Monaten um 180 Grad drehen würde, hätten damals nur die wenigsten für möglich gehalten.

Doch ausgerechnet die Coronapandemie bot China die Chance, Hongkongs Opposition auszuschalten. Demonstrationsverbote konnten epidemiologisch begründet und kritische Korrespondenten durch Grenzschließungen ferngehalten werden. Und als Peking das nationale Sicherheitsgesetz vorbei an Hongkongs Parlament aufzwang, hatte die Welt andere Sorgen. Und selbst wenn sich heute nur ein halbes Dutzend Menschen zusammentun und Fahnen schwingen, dauert es keine Stunde, bis die Polizisten sie von der Straße auflesen.

Wahrscheinlich hätte Hongkong spätestens in drei Jahrzehnten ohnehin ein solches Schicksal gedroht. Doch dass Chinas Staatsführung der ehemals britischen Kronkolonie dessen weitgehende Autonomie nicht wie versprochen bis 2047 aufrechterhalten hat, sollte die Weltgemeinschaft nicht vergessen. In Hongkong selbst wird der Kampf der Aktivisten schon bald nur mehr in den Köpfen der Leute weiterleben. Denn Peking wird alles tun, um die Spuren des Protests zu löschen: aus den Büchern, den Fernsehnachrichten und den sozialen Medien.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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