Team Jarasch, Giffey und Lederer: Kann das wirklich Liebe sein?

Bei den Koalitionsverhandlungen von SPD, Grünen und Linker kommt es nicht nur auf Inhalte an, sondern auch auf die Chemie. Da gibt es ein paar Fragen.

Man sieht Jarasch, Giffey und Lederer

Noch mit Lächeln: Statements nach der ersten Verhandlungsrunde Foto: dpa

BERLIN taz | Die erste Hürde hat Rot-Grün-Rot genommen. Sieben Stunden dauerte am Freitag die Auftaktrunde der Koalitionsverhandlungen – und endete ohne Eklat. Das war 2011 noch anders. Damals ließ Klaus Wowereits SPD die Verhandlungen mit den Grünen gleich am ersten Tag platzen. Willkommener Anlass war ihm der Streit um die A100 gewesen. Den haben SPD, Grüne und Linke in ihrem Sondierungspapier dieses Mal bereits abgeräumt.

Dennoch geht es bei den Koalitionsgesprächen, die am Montag in den 16 Arbeitsgruppen fortgesetzt werden, nicht nur um Inhalte, sondern auch um die Frage: Können die miteinander? Mit ihrer frühen Festlegung auf eine Ampelkoalition hatte sich Franziska Giffey weit vorgewagt – und am Ende klein beigeben müssen. Nicht nur in der SPD stand deshalb die Frage im Raum, ob die SPD-Spitzenkandidatin und designierte Regierende Bürgermeisterin angeschlagen in die Gespräche mit Grünen und Linken geht.

Bei ihrer Pressekonferenz am Freitagabend haben alle drei Spitzenleute die gute Atmosphäre gelobt. „Der Tag ist gut gelaufen“, sagte Giffey. Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch betonte: „Der gute Geist zu Ende der Sondierungen hat auch das erste Gespräch in den Koalitionsverhandlungen geprägt.“ Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer schließlich meinte: „Die Stimmung war super.“ Ziel sei es, sich auf Regierungsprogramm für die nächsten fünf Jahren zu verständigen. Soweit die Pflicht.

Kein Nicken und kein Lächeln

Die Kür dagegen enthielt auch andere Botschaften. Zwar setzten alle drei zu Beginn der Statements ein professionelles Lächeln auf. Später aber blickte Giffey bei den Redebeiträgen von Bettina Jarasch ostentativ gelangweilt auf die Wand gegenüber. Keine Zuwendung zur Rednerin, kein Nicken, kein Lächeln, nichts.

Bringt Giffey die kommunikative und soziale Kompetenz mit, Konflikte zu moderieren?

Eine ganz andere Körpersprache zeigte Giffey dagegen bei den Wortmeldungen von Klaus Lederer. Sie lächelte, scherzte gar und war ihm nicht böse, als er einen Satz von ihr einfach frech zu Ende formulierte.

Duzen und siezen

Als Lederer nach einer Reporterfrage Giffey anschaute und fragte: „Soll ich antworten?“, antwortete diese: „Mach doch!“ Giffey und der Kultursenator scheinen also schon beim Du zu sein, Giffey und Jarasch sind es nicht. „Man kann auch miteinander lachen, wenn man sich siezt“, sagte Bettina Jarasch.

Ein Kennenlernen seien die Sondierungsrunden gewesen, die den Koalitionsverhandlungen vorausgegangen waren, betonte Linken-Mann Klaus Lederer. Es ist vor allem Franziska Giffey, die Linke und Grüne noch kennenlernen müssen. In der Landespolitik war die 43-Jährige bisher nicht präsent.

Ihre Karriere in Neukölln verdankte Giffey der Protektion von Heinz Buschkowsky. Zur SPD-Bundesministerin wurde sie von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke gemacht – als Vertreterin des Ostens. Kärrnerarbeit im Bezirk oder im Landesverband hat Giffey bislang nicht leisten müssen. „Alles fiel ihr zu“, sagt eine Sozialdemokratin – und dabei schwingt auch ein Fragezeichen mit, ob sie die kommunikative und soziale Kompetenz mitbringt, Konflikte zu moderieren. Manche bescheinigen ihr einen „autoritären Führungsstil“.

Als „Blackbox“ wird Giffey mitunter bezeichnet; eine, von der man noch nicht wisse, was ihr wahres Gesicht sein. Klaus Wowereit in seiner oft überheblichen Art oder Michael Müller, der gerne in die Schmollecke ging, kannten sowohl Linke als auch Grüne aus dem Abgeordnetenhaus. An Franziska Giffey und ihren Führungsstil müssen sie sich nach den Wahlen am 26. September erst gewöhnen. Und einiges spricht dafür, dass dieser Gewöhnungsprozess noch lange nicht abgeschlossen ist.

Habituelle Nähe

Kein Grund zur Sorge, heißt es allerdings bei den Grünen, die betonen, dass die Gespräche mit Giffey bislang sehr professionell verlaufen seien. Dass Giffey und Jarasch sich siezen, sei ein Beweis für diese Professionalität, schließlich seien beide Kandidatinnen die Gewinnerinnen der Wahl am 26. September gewesen. Und wohl auch immer noch Konkurrentinnen, schwingt da mit. Darüber hinaus seien sich Sozialdemokraten und Linke schon immer habituell näher gewesen als Sozialdemokraten und Grüne.

Wie sehr das SPD und Linken hilft, einen Kompromiss beim nicht ganz einfachen Thema Bauen und Wohnen zu finden, wird sich ab diesem Montag zeigen. Drei Wochen lang werden die 16 Facharbeitsgruppen Bausteine für den Koalitionsvertrag formulieren – und dabei auch Priorisierungen vornehmen. In den Koalitionsvertrag sollen nur die Vorhaben einfließen, die finanziert werden können.

Den Vertrag selbst verhandeln dann die 24 Mitglieder der Dacharbeitsgruppe. Bis Ende November soll die rot-grün-rote Koalitionsvereinbarung stehen. Dann müssen die Parteitage darüber entscheiden. Die Linke hat ihren am 4. Dezember vorgesehen, die SPD am 5. Dezember und die Grünen am 12. Dezember. Die Linke plant außerdem einen Mitgliederentscheid.

Stimmen alle Parteien zu, könnte Giffey am 21. Dezember zur ersten Regierenden Bürgermeisterin Berlins gewählt werden. „Unser Ziel ist, dass die neue Landesregierung noch in diesem Jahr steht“, sagte sie am Freitagabend. Sie sagte nicht, eine rot-rot-grüne Landesregierung. Das Beispiel Wowereit vor zehn Jahren zeigt, das Koalitionsverhandlungen auch scheitern können. Sie müssen es ja nicht immer gleich am ersten Tag tun.

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