Regierungskrise in Rumänien: Ein Exgeneral soll es richten

Wieder nimmt in Rumänien ein neuer Kandidat Anlauf für die Bildung einer Regierung. Derweil explodieren die Neuinfektionen mit Sars-Cov-2.

Meneschen an Maschinen auf einer Intensivstation, dazwischen eine Fachkraft in Schutzkleidung

Kein Bett für Covid-Patienten mehr frei: Das Bagdasar-Arseni-Krankenhaus in Bukarest Foto: Andreea Alexandru/ap

BERLIN taz | Das rumänische Parlament hat am Mittwoch mehrheitlich dem von Präsident Klaus Johannis vorgeschlagenen Regierungschef und Vorsitzenden der reformistisch-neoliberalen USR-PLUS Dacian Cioloş und seiner Regierung das Vertrauen verweigert. Jetzt soll es der Reservegeneral und frühere Generalstabschef der Armee Nicolae Ciucă richten, der mit der Regierungsbildung betraut wurde.

Auslöser der jüngsten politischen Krise war ein Misstrauensantrag vom 5. Oktober, der die bis dahin amtierende Regierung unter dem Nationalliberalen Premier Florin Cîţu zu Fall brachte. Dem voraus gegangen war ein Rückzug der reformistisch-neoliberalen USR-PLUS, die einen Wechsel im Amt des Regierungschefs zu einer Bedingung für einen erneuten Eintritt in die Regierung gemacht hatte. Doch Staatschef Johannis hielt zunächst an Cîţu fest, schlug jedoch Cioloş als Ministerpräsidenten vor.

Dass der am Mittwoch krachend durchfiel, war auch der erneuten Nominierung von Ioana Mihăilă für den Posten der Gesundheitsministerin geschuldet. Denn in dieser Eigenschaft hatte sie es versäumt, die notwendigen sanitären und administrativen Maßnahmen zur Eindämmung der angekündigten vierten Coronawelle vorzubereiten.

Und die hat Rumänien voll erwischt. Bei einer Impfquote von derzeit nur 30 Prozent erreichte die Zahl der Neuinfektionen am Mittwoch mit 18.863 bestätigten Ansteckungen einen neuen Höchststand. Die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Gleichzeitig wurden 561 neue Todesfälle im Zusammenhang mit Corona gemeldet. Das heißt, alle fünf Minuten stirbt in Rumänien ein an Corona erkrankter Mensch. Auf den überlasteten Intensivstationen werden 1.805 schwerkranke Patienten behandelt. Es fehlt an Medikamenten, das Krankenhauspersonal ist völlig erschöpft.

Flut von Vorwürfen

Unzählige Krankenwagen warten stundenlang vor den Notaufnahmen bis ein Platz frei wird, um Patienten einliefern zu können. Ein Bukarester Arzt berichtete im rumänischen Fernsehen, dass Kranke auf den Fluren der Kliniken in Feldbetten untergebracht und notversorgt werden müssten. Inzwischen seien auch die Leichenschauhäuser mit den vielen Toten überfüllt.

Die rumänische Presse spricht von einer nie dagewesenen „humanitären Katastrophe“ und überschüttet die Regierungsbehörden und den Staatspräsidenten mit einer Flut von Vorwürfen.

Noch im Sommer hatten Johannis und sein damaliger Premier Cîţu vollmundig verkündet, die Epidemie sei in Rumänien besiegt, was zu Lockerungen und zu einem oberflächlichen Umgang mit der weiterhin bestehenden Ansteckungsgefahr führte. Widersprüchliche Erklärungen und Maßnahmen seitens der Regierung erhöhten die weit verbreitete Impfskepsis der Bevölkerung und die Zahl der Maskenverweigerer.

Hinzu kam die Haltung einflussreicher orthodoxer Bischöfe und Priester, die sich als überzeugte Impfgegner in den Medien äußerten und auf diese Weise, maßgeblich zur Verbreitung des Virus beitrugen.

Kommunion ohne Schutzmaßnahmen

Anlässlich einer kürzlich in Iaşi stattgefundenen Wallfahrt, wurde eine Gläubige gefilmt, die Schutzmasken auf den Sarg einer Heiligen legte, um sich auf diese Weise vor einer eventuellen Infektion zu schützen. Der Sarg mit den Überresten der Heiligen wurde von Tausenden von Pilgern berührt und geküsst.

Einer der einflussreichsten Impfgegner ist Metropolit Teodosie aus der am Schwarzen Meer gelegenen Hafenstadt Constanţa. Er spendet den Gläubigen die Kommunion, ohne jegliche Schutzmaßnahmen zu beachten. Den geweihten Wein teilt er mit dem gleichen Löffelchen aus und behauptet, eine Covid-19-Ansteckung sei auf diesem Wege ausgeschlossen.

Doch jetzt schlägt Johannis ganz andere Töne an. In einer Fernsehansprache am Mittwoch nannte er die bisherige Tatenlosigkeit der zuständigen Behörden erschreckend und kündigte harte „restriktive Maßnahmen“ an, um die dramatische Ausbreitung der Infektionen zu stoppen.

Doch um diese Maßnahmen durchzusetzen, braucht es eine stabile und funktionsfähige Regierung. Wann die jedoch kommen wird, ist derzeit nicht absehbar.

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