Nach dem tödlichen Angriff in Norwegen: Attentäter nutzte Stichwaffe

Im norwegischen Kongsberg sind die Opfer laut Polizei doch nicht mit Pfeil und Bogen erschossen worden. Das wirft Fragen zum Vorgehen der Beamten auf.

Polizeiabsperrband in dem Ort Kongsberg in Norwegen

Der Tatort in Kongsberg, Norwegen: Fünf Menschen verloren dort am vergangenen Mittwoch ihr Leben Foto: Terje Pedersen/ap

STOCKHOLM taz | Fünf Tage nach der Gewalttat im norwegischen Kongsberg, bei der der 37-jährige Espen B. fünf Menschen getötet hatte, ist die Polizei von nahezu allen ursprünglich verbreiteten Informationen abgerückt. Schon Ende letzter Woche war die These, es könne sich um einen religiös motivierten Terrorakt gehandelt haben, als eher unwahrscheinlich zurückgenommen worden: Man habe es wohl mit einem psychisch kranken Menschen zu tun, der seine Tat vermutlich nicht geplant habe und an dessen behaupteter Konvertierung zum Islam es erhebliche Zweifel gebe.

Am Montag teilte die Polizei auf einer Pressekonferenz nun auch mit, dass Tatwaffe wohl nicht Pfeil und Bogen, sondern „Stichwaffen“ gewesen seien. Zwar habe B. erst in einem Supermarkt mit Pfeil und Bogen herumgeschossen. Bei den folgenden direkten, teils tödlichen Angriffen auf Menschen habe er aber Stichwaffen genutzt – welche will man aus Ermittlungsgründen noch nicht sagen.

Laut Polizeisprecher Per Thomas Omholt gibt es auch Zweifel, welches Schadenspotential Pfeil und Bogen theoretisch gehabt haben könnten. Damit habe man vermutlich keinen Menschen töten können. Diese Einschätzung erneuert Fragen zum Vorgehen der Polizei: Warum war es am Mittwochabend einer bewaffneten Polizeistreife nicht gelungen, den Täter bei einer ersten Konfrontation in einem Supermarkt festzunehmen? Der geständige und zwischenzeitlich in Untersuchungshaft genommene B. hatte die tödlichen Angriffe erst im Anschluss daran in einer nur 150 Meter entfernten Straße ausgeführt.

Ermittlungen sind auch zur Frage eingeleitet worden, wie der psychiatrische Dienst und die Polizei in Kongsberg auf Hinweise über eine von B. ausgehende mögliche Gefahr reagiert haben. Arne Christian Haugstøyl vom Verfassungsschutz PST hatte am Wochenende mitgeteilt, sein Dienst habe erstmals 2015 Hinweise erhalten, dass B. „gefährlich“ sein könne. 2017 hätten sich diese Hinweise verdichtet, nachdem der Mann ein Video veröffentlicht hatte, in dem er sich als Muslim präsentiert und mit drohendem Unterton als „Überbringer einer Warnung“ bezeichnet habe.

Christian Haugstøyl vom Verfassungsschutz PST

„Wir bekommen jedes Jahr Hunderte solcher Hinweise. Es ist unmöglich, alle diese Personen zu überwachen“

„Wir bekommen jedes Jahr Hunderte solcher Hinweise“, erklärte Haugstøyl. „Es ist unmöglich, alle diese Personen zu überwachen.“ Man habe es für unwahrscheinlich gehalten, dass B. eine politisch motivierte Gewalttat begehen könne, aber „mit einfachen Mitteln ausgeführte kleine Angriffe“ nicht ausschließen wollen. Deshalb habe man die lokale Polizei und das Gesundheitswesen informiert.

Irritiert zeigte sich Norwegens Islamischer Rat über die Tatsache, dass Polizei und PST gleich nach der Tat verbreitet hatten, der Täter sei zum Islam konvertiert: „Es ist tagelang der fehlerhafte Eindruck erweckt worden, bei der Gewalttat könne es sich um religiös motivierten Terror handeln.“ Dabei habe es außer der Behauptung des offensichtlich kranken Täters selbst, er sei nun Muslim, „keine konkreten Hinweise gegeben, dass er jemals Muslim war“.

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