Vom Hass aufs Frühstück: Die grausamste Mahlzeit

Iss morgens wie ein Fürst, dass du groß und kräftig würst? Von wegen! Der Morgenmampf ist ein innen noch flüssiger Gesamtalbtraum.

Früstücksbuffet mit verschiedenen Zutaten.

Frühstück ist kalt, bestenfalls lauwarm, allerbestenfalls durch literweise heißen Tee runterzuspülen Foto: imago

Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages? Dass ich nicht lache. 38 Jahre meines Lebens habe ich morgens nichts weiter zu mir genommen als ein Stück Zucker und ein hart gekochtes Rabenei – und hat es mir geschadet? Eben.

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Die Frühstücksfanatiker schnauben, erheben sich von ihren Plätzen, wedeln mit Radis und Käse. Schlemme weidlich am Buffet, denn ein leerer Bauch tut weh. Iss morgens wie ein Fürst, dass du groß und kräftig würst! Was sich so flott und farbenfroh anhört, verbirgt eine einfache Wahrheit: Auf dem Frühstückstisch sieht alles ein Stück gröber und klobiger aus, erregt Widerwillen, sträubt sich dem Verzehr. Noch dazu sind die wenigsten Lebensmittel, die da stehen, wirklich appetitlich. Käsebrot? Leberwurst? Leberkäse gar? Veganer Aufstrich? Alles Quark.

Endlich muss das mal jemand aussprechen, denn die letzten (je nach örtlicher Hipness 5 bis 25) Jahre haben einen öffentlichen Frühstücksboom sondergleichen erlebt. Menschen im zweitbesten Alter stehen sich Sonntagfrüh auf Sonntagfrüh die Beine in den leerlaufenden Bauch, darauf wartend, dass der Kellner die Krümel vom vorherigen Brunch-Grüpplein wegschubbt und sie sich sendungsbewusst an der Platte ihrer Gönnung laben können.

Aus dem Notbrevier zusammengeklaubter Kohlenhydrate, die ein erstes Infahrt- und Vonderstellekommen des noch völlig verlotterten Körpers ermöglichen, ist ein mit Früchtchen und Blütlein geschmückter, innen noch flüssiger Gesamtalbtraum geworden, aufgebläht durch eine immer frischer pressende Systemgastronomie, aufgewertet durch die Hipster-Cafés der Großstädte, aufgegessen durch verblendete und zu jedem Widerspruch unfähige Marmeladenopfer.

Alles zieht sich hin beim Frühstück, weil es ja morgens ist, der Geist noch nicht wach, das Brötchen schabt Bissen für Bissen das Speiserohr blutig. Anders als beim gemütlichen Abendverzehr fehlt das Gegengewicht des bereits vergangenen Tagesanteils. Frühstück ist kalt, bestenfalls lauwarm, allerbestenfalls durch literweise heißen Tee herunterzuspülen.

Der Gipfel der Pein? Das sogenannte Sektfrühstück. Dabei wird den erwähnten Ekelingredienzen die flüssige Komponente Alkohol beigesellt, die sich im Magen je nach Wahl mit Mett oder Hummus, Mozzarella oder Himbeergelee, Mohnstange oder Hanfbobbes mischt. Das gibt nicht nur Blähungen, sondern auch einen bösen Nachmittagskater, dem schließlich durch Shopping und das Sitzen auf den übelsten „Massage“-Stühlen jegliche Laune verdorben wird.

Nicht umsonst hielt Jesus mit seinen Jüngern das letzte Abendmahl ab! Mit einem fetten Frühstücksbuffet hätte er nicht mal bis zum Kreuz durchgehalten.

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Seit 2015 bei der taz, zunächst als Praktikant, dann als freier Autor und Kolumnist (zurzeit: "Ungenießbar"). Nebenbei Masterstudium der Ästhetik in Frankfurt am Main. Schreibt über Alltag, Medien und Wirklichkeit.

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