Panter-Gespräch zur Pressefreiheit: „Wir in Europa sind mitschuldig“

Beim Gespräch der taz Panter Stiftung ging es um das bedrohte Gut Pressefreiheit, Medien in Afghanistan und die Gefahren digitaler Überwachung.

Anne Fromm (taz, l.) mit Sharmila Hashimi (m.) und RSF-Geschäftsführer Christian Mihr (r.) Foto: Sonja Trabandt

Von OLE SCHULZ

Wie ist die Lage der Pressefreiheit weltweit? Das sei eine „schwierige Frage“, sagt Christian Mihr, Geschäftsführer der Reporter ohne Grenzen (RSF), um dann ein nuanciertes Bild zu entwerfen, in dem die dunklen Farben überwiegen. So sei etwa ein Großteil der Morde an mehr als 1.000 Journalist:innen, die in den vergangenen zehn Jahren in Ländern wie Mexiko, Afghanistan und dem Irak umgebracht wurden, bis heute nicht geahndet. Straflosigkeit bleibe eine große Herausforderung. In China, Myanmar, Ägypten und der Türkei seien dagegen derzeit die meisten Kolleg:innen inhaftiert – darunter viele Bürgerjournalist:innen, die mittlerweile eine wichtige Rolle spielten.

Geladen war Mihr zu einem Gespräch der taz Panter Stiftung. Die fördert unabhängigen Journalismus mit internationalen Projekten dort, wo es besonders nötig ist. Am Vorabend der Genossenschaftsversammlung ging es im taz Café, moderiert von taz-Redakteurin Anne Fromm, in einer Runde mit Mihr, der afghanischen Journalistin Sharmila Hashimi und dem zugeschalteten Kollegen Georg Mascolo um den globalen Journalismus „unter Druck“.

Schlechtes Zeugnis für Europa

Zwei Befunde Mihrs ließen aufhorchen: Zum einen, dass Europa die Region ist, in der sich die Pressefreiheit am meisten verschlechtert hat. Viktor Orbán war etwa 2021 der erste Ministerpräsident aus der EU, der jemals in die RSF-Rangliste „Feinde der Pressefreiheit“ aufgenommen wurde. Zum anderen, dass die digitale Überwachung zunehmend zum Problem wird. „Rund die Hälfte der Fälle, in denen wir Journalisten Nothilfe leisten, dreht sich um digitale Überwachung“, so Mihr.

Dieses Thema wurde später wieder aufgegriffen, doch vorher berichtete Sharmila Hashimi aus ihrer Heimat Afghanistan. Sie hält die Taliban für gefährlicher als früher, weil sie sich mittlerweile medial besser verkaufen würden. Während Paul Ronzheimer für Bild anscheinend ohne größere Beschränkungen aus Kabul berichtet, sehe es für Einheimische und in der Provinz ganz anders aus. Hashimi, die seit 2014 in Deutschland lebt (und zur Zeit für die Neuen deutschen Medienmacher:innen tätig ist), kommt aus der Stadt Herat. Dort sitzen Kol­le­g:in­nen von ihr bereits im Gefängnis. „Die Situation ist wirklich schlimm.“

Spy-Software gegen Journalist:innen

Erfreulich sei laut ihrem Kollegen Georg Mascolo allein, dass sich die so zögerliche Bundesregierung inzwischen prinzipiell bereit erklärt habe, 2.600 besonders gefährdete Afghanen und ihre Familien aufzunehmen – darunter viele Medienschaffende. Hashimi wiederum hofft, dass international weiter Druck auf die Taliban ausgeübt wird. Ob das ausreichend wäre, um ihre im Land verbliebenen Kolleg:innen zu schützen und eine freie Berichterstattung zu gewährleisten, bleibt jedoch fraglich.

Wie wichtig die freie Berichterstattung ist, zeigen die jüngsten Veröffentlichungen zur Spy-Software Pegasus, um die es im letzten Block des Gesprächs ging – jenen Trojaner des israelischen Unternehmens NSO, der es Polizeibehörden und Geheimdiensten ermöglicht, Smartphones – gerade auch von Journalist:innen – auszuhorchen und zur Überwachung zu nutzen. Erst vor zwei Wochen hat auch das BKA zugegeben, heimlich eine „Version light“ von Pegasus erworben zu haben.

Es sei eine milliardenschwere „Schattenindustrie“ zur digitalen Überwachung entstanden, sagt Georg Mascolo, Leiter des Rechercheverbunds von NDR, WDR und SZ. Weil diese meistens im Geheimen agiere, sei es umso wichtiger, ihre Geschäfte an die Öffentlichkeit zu bringen. Der wirkliche Skandal ist für Mascolo aber, dass „wir“ im Westen – also Firmen aus den USA, Israel und Europa – Spy-Software liefern, derer sich dann Autokraten in aller Welt bedienen. Benötigt werde darum ein „Exportkontrollregime, das seinen Namen verdient“.

Dass wir davon aber noch ein gutes Stück entfernt sind, betonte Christian Mihr. Europa habe sich „mitschuldig“ gemacht und es wäre ein „starkes Zeichen“, wenn die EU bei einer Regulierung des Handels mit Spy-Software voranginge. Doch die dazu gerade reformierte Dual-Use-Verordnung greife noch zu kurz.