Globales Beteiligungsprojekt: Klima-Bür­ge­r:in­nen­rat startet

Zufällig ausgewählte Menschen aus aller Welt erstreiten seit Dienstag klimapolitische Einigungen. Sie sollen der Weltklimakonferenz Druck machen.

Kohleberge und Förderband

Wie kommt die Kohle aus der Energiewelt? Kohlemine im australischen New South Wales Foto: David Gray/reuters

BERLIN taz | Sie sind nicht gewählt, sondern ausgelost, haben weder ausgewiesene Expertise noch ein erkennbares Eigeninteresse: 100 Menschen aus aller Welt sollen in einem globalen Bürgerrat darüber diskutieren, wie die Menschheit die Erde bewohnbar halten soll, die sie selbst gefährlich aufheizt.

Das Projekt startete am Dienstag. Initiiert haben den Bürgerrat NGOs, unterstützt wird er auch von den Vereinten Nationen und Regierungen, allen voran Großbritannien.

Das Vereinigte Königreich richtet im November in Glasgow die diesjährige Weltklimakonferenz aus, die oft mit „COP 26“ abgekürzt wird. Dort soll der Bürgerrat auch seine politischen Empfehlungen präsentieren. Von einer „fantastischen Initiative“ sprach der diesjährige Klimagipfelpräsident Alok Sharma.

Dass sie zufällig ausgewählt sind, ist der Clou an Bürger:innenräten. Nur auf eine repräsentative Verteilung von demographischen Faktoren wie Geschlecht oder Bildungsstand wird geachtet. Im Rahmen des Projekts bekommen alle Teil­neh­me­r:in­nen dieselben wissenschaftlich gesicherten Informationen – dann müssen sie diskutieren.

Worauf kann sich die Gesellschaft einigen?

Damit unterscheiden sie sich von Beteiligungsgremien wie beispielsweise der Kohlekommission in Deutschland, die das Kohleausstiegsgesetz vorbereitet hat. An der waren zwar auch Bür­ge­r:in­nen beteiligt, aber nur solche, die etwa durch ihren Wohnort besonders von der Kohlewirtschaft betroffen sind.

Daneben saßen darin auch Unternehmensverbände, Umweltverbände und Wissenschaftler:innen, also Personen mit besonderen Perspektiven auf das fragliche Thema. Das ist bei Bür­ge­r:in­nen­rä­ten bewusst anders. Die Ergebnisse geben Hinweise darauf, worauf sich die Gesellschaft einigen kann.

In Großbritannien, Frankreich und Irland gab es schon Bürger:innenräte, die sich mit dem Klimawandel befassten. Sie empfahlen den Regierungen deutlich progressivere Schritte, als die zuvor zu gehen bereit waren. Umgesetzt wurden die Empfehlungen allerdings nicht komplett, denn verbindlich sind die Ergebnisse der Bür­ge­r:in­nen­rä­te in der Regel nicht.

Das gilt bei dem neuen Format natürlich umso mehr – eine globale Regierung als Adressatin gibt es schließlich nicht. Auf den Weltklimakonferenzen streiten die fast 200 einzelnen Staaten über jedes Detail und müssen dabei zu einstimmigen Ergebnissen kommen.

Die 100 Menschen wurden in einem mehrstufigen Prozess ausgelost. Erst wurden verschiedene Orte festgelegt, die gut über die Welt verteilt liegen. Dann machten sich die In­itia­to­r:in­nen dort nach potenziellen Teil­neh­me­r:in­nen auf die Suche, innerhalb dieser Gruppen entschied das Los.

Bei dem Prozess halfen lokale Partner, etwa Bibliotheken. Die sind auch weiter an Bord, um etwa beim Übersetzen zu helfen oder beim Lesen, sofern die Teil­neh­me­r:in­nen dabei Unterstützung brauchen. Um eine globale Teilnahme zu ermöglichen, findet das Ganze zudem online statt. Finanziert wird das Projekt unter anderem von der European Climate Foundation und der schottischen Regierung.

Ob Alok Sharma und vor allem die Regierungen bei der kommenden Weltklimakonferenz denn auf den Bür­ge­r:in­nen­rat hören werden? Ganz optimistisch scheint auch Mitorganisator Rich Wilson vom britischen Thinktank OSCA nicht zu sein: „Das werden wir dann sehen, oder?“

Einen der ganz großen Klimagipfel wie etwa 2015 in Paris, wo das aktuelle Weltklimaabkommen beschlossen wurde, lässt die Tagesordnung nicht erwarten. Gleichwohl hat die Konferenz großes politisches Gewicht. Die Staaten stellen ihre neuen Klimaziele vor. Teil des Pariser Abkommens ist es schließlich, dass die nationalen Pläne alle fünf Jahre überarbeitet werden. Das ist jetzt erstmals geschehen.

Großbritannien als Gastgeber gibt sich besondere Mühe, auch schon im Vorfeld des Gipfels Schwung in die politische Lage zu bringen. Der britische Premier Boris Johnson erklärte am Montag in einem Interview mit der Zeitung Times, dass das Land sein Stromsystem bis 2035 vollständig erneuerbar machen wird. Er begründete das unter anderem mit den sinkenden Kosten für Wind- und Solarkraft. Die Energiewende helfe dabei, „die Kosten für Strom und Energie in den Griff zu bekommen“.

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