Konsensuale Anbahnung: Flirten wie Camila

Wie flirtet man respektvoll? Das fragen sich viele Menschen. Unsere Kolumnistin stellt ihren angenehmsten Flirt vor.

Discokugeln

„Du tanzt voll schön!“ Foto: Matthew LeJune/Unsplash

An die Männer, die sich bei all dem Feminismus fragen: „Wie kann ich da eigentlich noch eine Frau anbaggern?“ Diese Kolumne ist für euch. Sie ist auch für diejenigen – mich selbst eingeschlossen – die sich in aller Ernsthaftigkeit fragen, wie sie respektvoll flirten können, ohne Grenzen zu überschreiten. Es ist schließlich nicht so, als würde man das in der Schule lernen, von Filmen oder Musikvideos ganz zu schweigen. Dort lernt man, dass ein dahergelaufener Han Solo nur ein bisschen zu insistieren braucht, wenn Rebellenanführerin Prinzessin Leia „nein“ sagt. Egal, einfach küssen, am Ende bekommt er sie doch.

Ich schlage vor, einen Best-Practice-Flirting-Award auszuloben, um gelungenes, konsensuales Flirtverhalten zur Orientierung hervorzuheben. Den ersten Award würde ich hiermit gerne Camila (Name geändert) überreichen.

Camila lernte ich in keinem FLINTA*-Treff und in keiner queeren Bar kennen – sondern in einem Schuppen auf der Hamburger Reeperbahn. Ja, genau diesem Ort, den ich hier an anderer Stelle schon als das modrige Sammelbecken toxischer Männlichkeit beschrieben habe. Sie trug auch keinen weiß gefärbten Topfhaarschnitt, anhand dessen ich sie einer queeren Szene hätte zuordnen können. Sie trug Make-up, einen langen Pferdeschwanz und ein durchsichtiges kurzes Spitzentop. Sie und ihre Freundinnen tanzten neben mir (und manchmal auch etwas betrunken in mich hinein, aber das verzeihe ich ihr).

Die klassischen männlichen Baggermoves in solchen Ausgangssituationen gehen so: Du tanzt entspannt mit deinen Freundinnen und stellst auf einmal fest, dass du von einem Kreis aus Männern umringt bist. Oder aber, einzelne von ihnen tanzen sich zwischen dich und deine Freundin. Oder sie tanzen dich ungefragt von hinten an. Das Resultat ist, dass dir der Spaß daran, dich sexy zu bewegen, vergeht.

Zwei gute Gefühle

Camila drehte sich zu mir um und schrie über die Musik hinweg: „Du tanzt voll schön!“ Während ich auf Toilette war, erkundigte sie sich bei meinen Freundinnen nach meiner sexuellen Orientierung. Danach fragte sie mich, ob wir Nummern austauschen wollten. Sie sagte, sie habe einen Freund, sei also nicht bereit für etwas Festes. Sie sei aber in einer offenen Beziehung. Dann fragte sie: „Möchtest du tanzen?“ Ich wollte.

Glaubt eigentlich noch irgendwer, dass Frauen gerne „umworben“ werden? Sprich, immer wieder „nein“ zu einem insistenten Gegenüber sagen? Oder irgendwelche Spielchen spielen? Meine persönliche Antwort darauf, was „Frauen wirklich wollen“: Offenheit. Ehrlichkeit. Transparenz. Hört sich vielleicht an, wie ein Wahlplakat, ist aber ziemlich sexy. Camila machte nicht nur klar, dass sie nicht für eine feste Beziehung zu haben war, sondern auch, dass sie mich attraktiv fand und Lust hatte, mit mir zu tanzen. Und sie ließ mir den Raum zu entscheiden, ob ich auch Lust dazu hatte. Beides sehr gute Gefühle.

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Lou Zucker ist Journalistin und Autorin. Als Redakteurin arbeitete sie für neues deutschland, Supernova, bento und Der Spiegel, derzeit ist sie Chefin vom Dienst bei taz nord in Hamburg. Ihr Buch „Clara Zetkin. Eine rote Feministin“ erschien in der Eulenspiegel Verlagsgruppe.

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