Erwartung an die neue Koalition: IHK will Berlin wieder hochfahren

Der neue Kammerpräsident Daniel-Jan Girl sieht die Wirtschaft als vierten Koalitionspartner und warnt vor ihrer Dämonisierung.

Das Bild zeigt die futuristischen Aufzüge in der IHK-Zentrale im Ludwig-Erhard-Haus in Charlottenburg.

Diie IHK – hier die Zentrale in Charlottenburg – fordert eine „Koalition der Wirtschaft“ Foto: Michael Brunner

BERLIN taz | Parallel zu den laufenden Sondierungsgesprächen hat die Industrie- und Handelskammer (IHK) am Donnerstag gefordert, eine „Koalition der Wirtschaft“ zu bilden. „Unsere Lieblingskoalition ist die, bei der wir mit am Tisch sitzen“, sagte der neue Präsident der Kammer, der 40-jährige Digitalunternehmer Daniel-Jan Girl, in einem Pressegespräch. Aufbauend auf einem künftigen Dreierbündnis sah er darin „eine Viererkoalition“.

Zehn Tage nach der Abgeordnetenhaus, aus der die SPD als stärkste Partei vor Grünen und CDU hervorging, bot Girl die Wirtschaft als Partner der Politik an und betonte dabei: „unabhängig von der politischen Couleur“. In Eingangsworten hatte der neue Präsident aber klar gemacht, wie unzufrieden er mit dem gegenwärtigen Zustand der Stadt ist. „Berlin war mal die Stadt der Freiheit und der Chancen“, sagte er. Für die Freiheit gilt das für ihn weiterhin, nicht aber für die Chancen: „Zu viele politische Akteure der Stadt haben die Chancen verpasst oder verhindert.“ Auch auf Nachfrage mochte Girl nicht sagen, welche Akteure und Parteien er damit konkret meint. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen und auch nicht darum, zurückzuschauen.

Neben Girl berichteten weitere IHK-Vertreter aus verschiedenen Branchen über Probleme mit überbordender Bürokratie, zu langsamer oder unzureichender Digitalisierung und verfehlter Bildungspolitik, die aus IHK-Sicht nicht dazu beigetragen hat, das Interesse an Ausbildungsberufen zu steigern. Ein Sprecher der Immobilienwirtschaft rief nach schnelleren Genehmigungsprozessen auf dem Weg zu mehr bezahlbaren Wohnraum und bot einen Dialog an: „Wir sind Teil der Lösung.“

Girl, der nach acht Jahren als IHK-Vorstandsmitglied im September an die Spitze der Kammer gewählt wurde und sich dabei gegen einen von seiner Vorgängerin Beatrice Kramm vorgeschlagenen Mitbewerber durchsetzte, warnte vor einer Situation wie zum Start des rot-rot-grünen Bündnisses nach der Wahl 2016: „Bei den letzten Koalitionsverhandlungen saß die Wirtschaftspolitik am Katzentisch“, äußerte er sich. Noch schlimmer sei, dass die Wirtschaft „dämonisiert und ­gegen die Menschen ausgespielt“ werde. Die Politik – genauer wurde Girl auch hier nicht – hat daran aus seiner Sicht ihren Anteil, wenn sie von eigenem Versagen ablenken wolle und die Wirtschaft als Blitzableiter dienen müsse.

Nach tagelangen Sondierungen über eine Regierungsbildung in Berlin stehen nun erste wichtige Entscheidungen an. Die SPD als Siegerin der Abgeordnetenhauswahl am 26. September und die Grünen als zweitstärkste Partei wollen am Freitag darüber beraten, mit welchen anderen Parteien sie in Dreierkonstellation weitere Sondierungsgespräche führen wollen. Ein entsprechender Beschluss der Parteigremien könnte vorentscheidend sein für später folgende Koalitionsverhandlungen.

Die Grünen ließen Skepsis erkennen im Hinblick auf ein Bündnis mit der FDP. Ihre Spitzenkandidatin Bettina Jarasch sprach nach dem Treffen mit den Liberalen von einem guten Gespräch. „Aber es wären natürlich schon weite Wege, die wir noch zu gehen hätten“, fügte sie hinzu. Parallel dazu warb nun auch ein zweiter Aufruf von Akteuren aus Politik und Gesellschaft, weitermachen.berlin, für Rot-Grün-Rot. Das hatte bereits das Bündnis munizipalismus-berlin.de gefordert. (dpa, taz)

Das gilt für ihn auch mit Blick auf den Volksentscheid, bei dem eine deutliche Mehrheit für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen stimmte. „Wir wollen uns als Problemlöser anbieten. Die Verwaltung Berlins wird nicht von der Verwaltung selbst digitalisiert werden können.“ Wer das stattdessen kann, ist für Girl klar: „Die Wahrheit ist, dass wir den Laden am Laufen halten.“

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