Mangelnde Transparenz in EU-Gremien: Von der Leyens verdächtige SMS

Im EU-Parlament gehen unregistrierte Lobbyisten ein und aus. Eine neue Behörde soll Verstöße verfolgen. Doch es gibt Widerstand.

Passanten vor dem Logo des EU Parlaments

Aufschlussreich, wer in Brüssel und Straßburg ein- und ausgeht Foto: Francisco Seco/ap

BRÜSSEL taz | Bei der EU häufen sich Verstöße gegen die strikten Lobby- und Transparenzregeln. Der ehemalige deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger, Ex-Handelskommissar Phil Hogan und sogar Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werden verdächtigt, die Regeln zu umgehen und Kontrollen zu erschweren. Das Europaparlament will nun gegensteuern und eine unabhängige Ethikbehörde schaffen. Doch es gibt Widerstand.

Vor allem die Abgeordneten von CDU/CSU haben Bedenken gegen die geplante neue Aufsicht. Das Ethikgremium wolle Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter in einem sein, meint der CDU-Politiker Rainer Wieland, das gehe nicht. Wieland gelang es, die Abstimmung im Parlament immer wieder aufzuschieben. Am Ende haben sich die Konservativen der Stimme enthalten.

Nun liegt der Ball bei der EU-Kommission, die sich mit dem Parlament auf Details der neuen Ethikbehörde einigen muss. Doch auch dort hat man es nicht eilig. Behördenchefin von der Leyen hatte sich nach ihrer Wahl 2019 zwar für die Einrichtung eines Gremiums ausgesprochen, das Verstöße gegen die Transparenzregeln kontrollieren kann. Doch dann schob sie das Thema auf die lange Bank.

Dabei ist sie inzwischen selbst in die Schusslinie geraten. Die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly hat die Herausgabe von Kurznachrichten verlangt, die von der Leyen an den Chef des Pfizer-Konzerns geschickt hatte. Nach Darstellung der New York Times ging es um einen (mittlerweile abgeschlossenen) Milliardendeal zur Lieferung von Pfizer-Biontech-Vakzinen. Doch von der Leyen will die SMS nicht herausrücken.

Von der Leyens SMS

O’Reilly verlangt nun Auskunft. Die EU-Kommission müsse offenlegen, ob und wie sie SMS ihrer Chefin speichert – und ob sie den Kurznachrichten an den Pfizer-Chef nachgegangen sei. Dazu soll es am kommenden Dienstag ein Treffen geben. Doch das dürfte nicht viel ändern: Ein Sprecher sagte, dass die Kommission keine elektronischen Kurznachrichten speichere, man könne daher nichts „herausgeben“.

Im EU-Parlament sind 123 Lobbyisten mehr tätig als offiziell registriert

Intransparent geht es auch im Fall des früheren EU-Kommissars Oettinger zu. Der CDU-Politiker hatte nach seinem Abgang aus Brüssel mehr als ein Dutzend neue Jobs angenommen. Von der Leyen stellte ihrem Parteifreund dafür Sondergenehmigungen aus – mit der Auflage, keine Lobbyarbeit zu machen. Doch das sei unglaubwürdig, so der grüne Europaabgeordnete Daniel Freund: „Allein sieben der neuen Arbeitgeber stehen im Lobbyregister.“

Oettinger ist nicht der Einzige, der die Regeln großzügig interpretiert. Gerade erst wurde bekannt, dass der frühere EU-Handelskommissar Hogan bei der Anwaltskanzlei DLA Piper anheuert. Die Firma ist weltweit tätig und berät ihre Kunden – meist große Unternehmen – in wirtschaftsrechtlichen Fragen. Wieder mauert die EU-Kommission: Man sei nicht informiert und prüfe den Fall.

Für den Grünen-Parlamentarier Freund ist das ein weiterer Beweis, dass die EU mehr tun muss. Eine schärfere Kontrolle sei nicht nur in der Kommission, sondern auch im Parlament nötig. Dort sind 123 Lobbyisten mehr tätig als offiziell registriert, fand Freund nach eigenen Recherchen und Nachfragen im Transparenzregister heraus. „Dieser Vorfall ist wieder ein Beleg dafür, dass gute Brüsseler Lobbyregeln nicht richtig durchgesetzt werden“, so sein Fazit. Umso wichtiger sei die neue Ethikbehörde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.