CSU-Parteitag mit Söder und Laschet: Verordnete Geschlossenheit

Scheinbar begeistert beklatschen die CSU-Delegierten Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Ob das die beschworene Trendwende bringt?

Armin Laschet, Markus Söder und andere auf der Bühne des CSU-Parteitags.

Fragt sich nur, wer hier wen beklatscht: Unionskandidat Laschet (2. von li.) und CSU-Chef Söder (M.) Foto: Wolfgang Rattay/reuters

NÜRNBERG taz | Die Delegierten erfüllen die Bitte ihres Parteichefs nicht nur, sie geben alles. Als Armin Laschet gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder am Samstagvormittag in Halle 7 der Nürnberger Messe einzieht, stehen sie auf, klatschen minutenlang, dann pfeifen und johlen sie zustimmend. Die beiden Parteichefs gehen durch ein Spalier von scheinbar begeisterten Christsozialen. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl wollen sie all die Sticheleien und Angriffe aus Bayern vergessen machen, jetzt ist Geschlossenheit gefragt. Manch einer mag dabei eine Faust in der Tasche haben, aber offen gezeigt wird das nicht.

Parteichef Markus Söder hatte am Vortag einen warmen und freundlichen Empfang für den Kanzlerkandidat der Union angekündigt und die Delegierten zur Geschlossenheit aufgerufen, nicht nur in der CSU, sondern auch in der Union. „Wir wollen Armin Laschet als Kanzler“, hatte er „für die Journalisten zum Mitschreiben“ in seiner Rede betont – und es dabei sogar geschafft, eine gute Stunde lang auf Seitenhiebe auf Laschet zu verzichten.

Dafür hatte sein Generalsekretär kurz zuvor hart zugelangt: „Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da“, sagte Markus Blume dem Spiegel in einem Interview. Zwar rudert er auf dem Parteitag halbherzig zurück. Doch seine Einschätzung dürften viele Delegierte im Kopf haben – und teilen. Schließlich ist nicht nur die CDU in den Umfragen dramatisch abgestürzt, auch die CSU trudelt und ist unter die in Bayern magische 30-Prozent-Marke gerutscht. Das ist die Ausgangslage, als der Kanzlerkandidat mit seiner Rede beginnt.

Laschet greift zunächst tief in die Geschichte. Er verweist auf Josef Müller, den einst die Nazis ins KZ steckten und der später die CSU gründete. „Das sind unsere Wurzeln: Männer, die der Diktatur widerstanden haben“, sagt Laschet und verweist auf den inneren Kompass, den diese gehabt hätten. Auch später seien CSU und CDU in den entscheidenden Momenten – soziale Marktwirtschaft, Westbindung, Mauerfall – einem politischen Kompass gefolgt.

Laschet ist weniger fahrig als zuletzt

„Heute stehen wir wieder an einem solchen Wendepunkt“, sagt Laschet dann und geht zum Angriff auf SPD, Grüne und eine mögliche Koalition mit der Linkspartei über. Schließlich gehe es in zwei Wochen um eine Richtungsentscheidung. „Es ist eben nicht egal, wer im Kanzleramt sitzt.“ Außenpolitik, Innere Sicherheit, Wirtschaft – laut Laschet fehle seinen Kontrahenten der Kompass. Das, was SPD, Grüne und Linke planten, sei gefährlich für die Republik. „Steuererhöhungen und mehr Bürokratie werden unseren Wohlstand gefährden.“ Laschet spricht manchmal ruhig, manchmal kämpferisch, aber er ist nicht fahrig, so wie er es zuletzt manchmal bei wichtigen Reden war. Immer wieder wird er von Applaus unterbrochen.

Am schärfsten greift Laschet den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz an. Dieser habe als Finanzminister nur deswegen so gut gewirtschaftet, weil die Bundeskanzlerin auf ihn aufgepasst habe. Und dass er sich eine Hintertür für eine rot-rot-grüne Koalition auflasse. Schon Franz Josef Strauß habe gesagt: „Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch.“ Damit habe Strauß die Dinge auf dem Punkt gebracht. Das gefällt den Delegierten der CSU.

Laschet lobt auch immer wieder die Politik der CSU in Bayern und im Bund. Und sucht den Schulterschluss mit Söder, der es ihm in den vergangenen Monaten so schwer gemacht hat. „Ich bin sicher, wenn wir die Wahl gewinnen, werden wir beide im Koalitionsausschuss die nächsten Jahre in Deutschland prägen“, sagt Laschet. Darauf freue er sich.

Er räumt aber auch eigene Fehler ein. „Es ist natürlich nicht alles optimal gelaufen.“ Aber man wisse eben auch, dass es jetzt Spitz auf Knopf stehe. Am Ende sagt er: „In entscheidenden Momenten muss man Kurs halten und für diesen Kurs stehen CDU und CSU. Aus dieser Absicht heraus will ich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Da brandet minutenlanger Applaus in der Halle auf.

Zuvor hatten am Vormittag die beiden CSU-Spitzenkandidat:innen für die Bundestagswahl, Alexander Dobrindt und Dorothee Bär, die Stimmung im Saal angeheizt. Egal, wer auf dem CSU-Parteitag spricht: Alle zielen darauf ab, dass die Wahl in zwei Wochen eine Richtungsentscheidung sei – Freiheit oder Sozialismus sozusagen. Dazu werden sogar per Video die Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber und Theo Waigel bemüht. „Stabilität statt Linksruck“ heißt zudem der Leitantrag, der am Morgen in Windeseile verabschiedet wird.

Söder will Bäcker und Friseure mehr in den Blick nehmen

Auch Söder hatte bereits am Vortag die Gefahr eines Linksrutsches nicht nur an die Wand gemalt, sondern auch durchbuchstabiert, was das aus seiner Sicht wohl heißen würde: „Es droht ein politischer Erdrutsch“, rief Söder gleich zu Beginn seiner Rede. Und: „Wir wollen keinen politischen Linksruck.“ Man werde den Linken zeigen, dass man kämpfe. „Ich habe keinen Bock auf Opposition.“ Da ist die Halle noch nicht in Bierzeltstimmung, aber zumindest auf Betriebstemperatur.

Söder betonte, er wolle keine Rote-Socken-Kampagne 2.0 – um eine solche dann umgehend vom Zaun zu brechen. Er forderte „historische Ehrlichkeit“, spricht von der „Nachfolgepartei der SED“ und von Stacheldraht. „Die Linksformel heißt: höhere Steuern, höhere Schulden, mehr Bürokratie, weniger Sicherheit“, warnte der CSU-Chef und versprach Entlastungen unter anderem für kleine Unternehmer in Form einer neuartigen „Flatrate-Steuer“ von maximal 20 Prozent. Die CSU müsse statt der Kaviar-, die Leberkäsfraktion stärker im Blick haben: „Bäcker, Metzger, Friseure.“

Immer wieder griff auch er Scholz scharf an. Er warnte vor einem „Schuldenkanzler“ – und forderte unter anderem umfassendere parlamentarische Untersuchungen etwa in der sogenannten Cum-Ex-Affäre. Es gebe „unzählige Fragen, keine Antworten“. Söder kritisierte auch, wie Scholz auf aktuelle Durchsuchungen in seinem Ministerium reagiert habe. Der Eindruck sei, dass der Bundesfinanzminister fast beleidigt darüber sei, dass die Staatsanwaltschaft ihre Aufgabe wahrnehme.

Den Grünen warf Söder eine „Belehrungs- und Umerziehungsmoral“ vor – und da durfte natürlich das Gendern nicht fehlen. „Wir als CSU akzeptieren kein Gender-Gesetz und keine Gender-Strafzettel“, rief Söder. „Wir sind ein Freistaat und kein Umerziehungsstaat, bei uns zählt der gesunde Menschenverstand.“ Dafür bekommt er den wohl größten Szenenapplaus.

All das soll wohl dazu dienen, vor allem die Stammwähler anzusprechen, auch will Söder Abwanderung zu den Freien Wählern (FW) und zur FDP verhindern. Erstere würden ohnehin an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, eine Stimme für die FW sei also eine verschenkte Stimme, so der CSU-Chef. Und von der FDP verlangte er, eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen auszuschließen, denn das sei auch nur „eine verdünnte Linkssuppe“. Aber Söder muss auch die eigenen Leute motivieren, in den verbleibenden zwei Wochen im Wahlkampf noch alles zu geben.

Am Ende bekam Söder stehenden Applaus, drei Minuten und 48 Sekunden lang, wie die dpa gestoppt hat. Bei der Wiederwahl zum Parteichef aber erhielt er nur 87,6 Prozent der Stimmen – und blieb damit hinter seinem letzten Ergebnis von 91,3 Prozent zurück. Das ist nicht dramatisch, aber zwei Wochen vor ein Bundestagswahl, in der es für die Union um alles geht, doch bemerkenswert. Von den fünf Stellvertreter:innenn, die anschließend gewählt wurden, bekam der Europapolitiker Manfred Weber mit 94 Prozent das beste, Digital-Staatsministerin Bär mit 69,7 Prozent das schlechteste Ergebnis.

Nach Laschets Rede klatschen die Delegierten geschlagene acht Minuten lang. Aber als der CDU-Chef fertig ist, tritt bald die CSU-Spitze zu ihm auf die Bühne, dann auch zahlreiche Direktkandidat:innen. Schnell ist nicht mehr ganz klar, wem genau der Applaus gilt. Man kann es auch so verstehen: An diesem Mittag klatscht sich die CSU selbst Mut zu – aber zumindest vereint mit ihrem Kanzlerkandidaten. Mal schauen, ob das bis zur Wahl hält.

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