Geflüchtete aus Afghanistan: Unfreiwillige Weiterreise

In Ramstein sitzen afghanische Ortskräfte deutscher Institutionen auf der US-Air-Base fest. Sie dürfen den Luftwaffenstützpunkt nicht verlassen.

Menschen hinter Zäunen auf dem US-Luftstützpunkt Ramstein

Einige würden lieber in Deutschland bleiben: Afghanische Geflüchtete auf dem US-Stützpunkt Ramstein Foto: Markus Schreiber/ap

14.900 aus Kabul evakuierte Menschen befinden sich derzeit auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz und warten auf einen Weiterflug in die USA oder andere Länder. Sie waren in den letzten Wochen in US-Militärflugzeugen aus Afghanistan ausgereist – und sollen Deutschland jetzt schnell wieder verlassen. Wie das Auswärtige Amt am Mittwoch bestätigte, haben die Bundesregierung und die USA eine entsprechende Vereinbarung getroffen.

Das Problem: Unter den Wartenden in Ramstein sind auch einige, die eigentlich lieber in Deutschland bleiben wollen und dafür berechtigte Gründe haben. Einigen von ihnen hatten die deutschen Behörden im Rahmen der Evakuierungsaktion sogar schon eine Aufnahme zugesagt, zum Beispiel, weil sie früher als Ortskräfte für deutsche Stellen gearbeitet hatten.

Sie dürfen die Air Base aktuell aber nicht verlassen und somit nicht richtig nach Deutschland einreisen. Es ist sogar möglich, dass sie demnächst nach Uganda, Albanien oder Nordmazedonien geflogen werden. Dort und in weiteren Drittstaaten will die US-Regierung die Visumverfahren für ihre Evakuierten durchführen, bevor sie sie weiter in die USA bringt.

Lokale Behörden haben sich nicht zuständig erklärt

Wie schwer der Weg aus der Air Base ist, zeigt ein Schreiben der Deutschen Botschaft in Doha, das der taz vorliegt. Darin teilt eine Mitarbeiterin einem in Deutschland lebenden Afghanen mit, wie er seine am Dienstag über Katar nach Ramstein evakuierte Ehefrau und Kinder wiedersehen könne. „Um eine tatsächliche Einreise in das Bundesgebiet aus Ramstein möglich zu machen, sollten Sie sich an die für Sie zuständige Ausländerbehörde wenden und dort um Vorabzustimmung zur ­Visumerteilung für Ihre Angehörigen bitten. Im Anschluss sollte sich die Ausländerbehörde mit dem BMI [Bundesministerium des Inneren; Anm. der Red.] in Verbindung setzen, damit ein Verlassen der amerikanischen Basis in Ramstein möglich wird“.

Nur: Die lokale Ausländerbehörde in Augsburg, in der der Mann das Visum für seine ­Familie vorbereiten soll, sieht sich nicht zuständig und ­verweist auf das Auswärtige Amt. Das wiederum reagiert ebenso wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nicht auf entsprechende Anfragen per E-Mail. So schildert es die auf Migrationsrecht spezialisierte Münchner Rechts­anwältin Anna Frölich, die den Afghanen aus Augsburg vertritt, gegenüber der taz. „Es ist momentan völlig undurchsichtig, ob der deutsche Staat noch eingreift und seine Zusage, die Evakuierten mit ihrer Kernfamilie zusammenzuführen, einhält.“

Bei drei weiteren Af­gha­n:in­nen in Ramstein, die enge ­Verwandte in Deutschland ­haben und die sogar auf der Evakuierungsliste des Auswärtigen Amtes standen, hat Frölich bisher ebenso wenig erreicht. Auch hier haben sich lokale Behörden für nicht zuständig erklärt.

Diffuse Informationslage

„Wenn die Ortskräfte wirklich in die USA kommen, wären diese zwar selbstverständlich auch in Sicherheit“, sagt Anwältin Frölich. Dann müsse man aber wiederum ein aufwendiges Visumverfahren über die Deutsche Botschaft in den USA durchlaufen, um ein Visum für Deutschland zu bekommen. „Was aber passiert, wenn ein Afghane erst mal in einem Drittland ist, ist schwer vorherzusehen.“

In einem ihrer Fälle sollen die US-Soldaten in der Air Base Ramstein der Ortskraft gegenüber angekündigt haben, sie werde nicht in die USA, sondern nach Afrika gebracht. Eine Anfrage der taz, ob der Bundesregierung solche Fälle bekannt seien und wie sie dazu stehe, ließ das BMI unbeantwortet. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte auf taz-Anfrage mit, dass es bezüglich einer „Einreise“ nach Deutschland über die Air Base Ramstein „nicht verantwortlich“ ist – und verweist auf das BMI.

Uli Sextro jedenfalls hat von solchen Fällen gehört. Der Referent für Flucht und Migration bei der Diakonie Rheinland-Pfalz bemüht sich seit Tagen herauszufinden, wie er den Ortskräften in Ramstein dabei helfen könne, zu Verwandten nach Deutschland zu kommen – auch er hat keinen Erfolg.

„Die Informationslage ist völlig diffus“, sagt Sextro der taz. Immerhin hat er von der Landesregierung in Mainz erfahren, dass die US-Armee bei Visafragen nur mit Bundesbehörden zusammenarbeite. Wer in Berlin aber grünes Licht für die Einreise aus Ramstein gibt, darauf hat er auch noch keine klare Antwort erhalten. Das Schweigen in Berlin deutet Sextro so: „Die Bundesregierung hat wahrscheinlich Angst, dass nicht nur ein paar Ortskräfte mit Deutschlandbezug bleiben, sondern alle.“

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