Studie zu klimaneutralen Gebäuden: Das alte Lied von der Dämmung

Die von der Bremer Klima-Enquete vorgeschlagenen Maßnahmen für Gebäude und Wohnen könnten viel bringen. Doch bei ihrer Umsetzung gibt es Hürden.

Ein Handwerker bringt Dämmmaterial an einen Neubau an

Ein Handwerker bringt Dämmmaterial an einen Neubau an Foto: Oliver Berg/dpa

BREMEN taz | Top sanierte Gebäude, Wärme- und Stromversorgung über Erneuerbare Energien und Müllverbrennung, Neubauten mit Plusenergie-Standard: So skizziert die Enquetekommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“ das Ziel der Klimaneutralität im Bereich Gebäude und Wohnen in ihrem Zwischenbericht. Um das zu erreichen, hatte sie bei der Vorstellung im März Maßnahmen vorgeschlagen.

Jan Steinbach und das Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien GmbH hatten den Auftrag, diese hinsichtlich ihrer Wirkung zu bewerten. Bei der Sitzung am Freitag stellte Steinbach die Studie nun vor. Als Vergleichsszenario habe man berechnet, welche Entwicklungen es unter den derzeitigen Rahmenbedingungen bis 2030 geben wird; auch die Bedingungen auf Bundesebene und die Co2-Bepreisung seien hier eingeflossen, erklärt Steinbach, „um zu schauen, welche Wirkung die neuen Maßnahmen erzielen können“.

Bereits in diesem Szenario gehe der Energiebedarf zurück, der Einsatz von Erdgas sinke und der Anteil von Fernwärme steige. Aber: Für Klimaneutralität bis 2040 – so das derzeitige Ziel Bremens – reicht das nicht.

Um die Lücke zu schließen, so das Ergebnis, seien einige Maßnahmen besonders sinnvoll: ein Förderprogramm für Gebäude­sanierung, ein Landeswärmegesetz mit der Pflicht, bei einem Heizkesseltausch auf Wärme aus Erneuerbaren Energien umzusteigen, ein Energieberatungszentrum und die Adressierung der sogenannten „Worst-Performing-Buildings“ – also der Gebäude, die aktuell am klimaschädlichsten sind.

Bessere Beratung für Eigentümer

Allerdings: Letzteres über das Ordnungsrecht, also Neuvermietungs- und Verkaufsverbote zu regeln – so die bisherige Idee der Enquete – „scheint auf kommunaler und Landesebene gar nicht möglich“, sagt Philipp Bruck, der energiepolitische Sprecher der Grünenfraktion. Der Effekt könne entsprechend gar nicht mehr so groß sein, wie von der Studie prognostiziert, wenn man diesen Bereich stattdessen über Förderprogramme adressiere.

Bruck sieht noch ein weiteres Problem bei der Maßnahme des Förderprogramms für Sanierungen: Dafür brauche es pro Jahr Summen „im dreistelligen Millionenbereich. Uns fehlt im Moment noch die Fantasie, wie das gehen kann.“

Das Beratungszentrum, betonen Steinbach und mehrere Enquetemitglieder, solle mehr sein als ein Ort zum Hingehen: Es soll auch aufsuchend arbeiten und Sanierungen aktiv begleiten. Denn Ei­gen­tü­me­r*in­nen führten „in den seltensten Fällen“ eine langfristige ökonomische Bewertung durch, wenn es um Sanierungen geht, so Steinbach – entsprechend braucht es die Impulse durch das Land.

Einigkeit herrscht zudem darin, dass es für die Umstellung der Wärmeversorgung eine gute kommunale Planung brauche. Damit für jeden Stadtteil individuelle Pläne gemacht werden können. „Gerade in engen Vierteln“ sei das herausfordernd, so Arno Gottschalk, klimapolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Dringend notwendig für die Umsetzung all dieser Maßnahmen sind außerdem mehr ausgebildete Fachkräfte. Steinbach bezeichnet den jetzt schon bestehenden Engpass als „Bottleneck“ – also als eine Schwachstelle, die den gesamten Prozess hemmt.

Wie richtig er damit liegt, zeigt die anschließend vorgestellte Studie zur Ausbildungssituation in Bremen. Markus Hoch von der Prognos AG zeigt, wie der Bedarf an Fachkräften durch verstärkten Klimaschutz in Bremen wächst – und welchem tatsächlichen Angebot dieser Bedarf gegenüber steht.

Starke Engpässe sind absehbar

Unter den untersuchten Schlüsselberufen finden sich auch zahlreiche, die dem Sektor Gebäude und Wohnen zuzuordnen sind: Bauplanung, Hochbau, Tiefbau, Klempnerei, Sanitär, Heizung. Das Ergebnis: Die Bedarfe steigen im Vergleich zu dem Szenario, dass keine zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden. So braucht es laut Hoch im Jahr 2030 vier Prozent mehr Hoch- und Tiefbauberufe oder achteinhalb Prozent mehr Fahrzeugführer*innen.

Zusätzlich erwarte man „einen spürbaren Rückgang in der Ausbildung“, sagt Hoch. Die Gründe: der demografische Wandel und entsprechend weniger Menschen im auszubildenden Alter, die Altersstruktur der aktuell Beschäftigten, die dazu führt, dass mehr Menschen gehen als nachkommen. Auch die Quote der Betriebe, die ausbilden, sinke bereits seit 2013 leicht.

Daraus ergeben sich teils enorme Engpässe: Im Hoch- und Tiefbau könnten 2030 demnach rund 20 Prozent der Nachfrage nicht bedient werden; in der Gebäudetechnik 25 Prozent; im Bereich Bauplanung und -überwachung sogar die Hälfte. Die Prognosen für 2040 sind noch dramatischer: In noch mehr Berufen könne dann die Hälfte der Nachfrage nicht abgedeckt werden.

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