Wahlkampf und Arbeitskampf: Altherrensadomaso

Unser Kolumnist hat nach wie vor kein Mitleid mit Armin Laschet, dafür aber so langsam mit den Bahn-Fahrgästen. Und mit sich selber sowieso.

GDL-Chef Claus Weselsky im Profil

Größter Gewerkschafter der Welt ist nach eigenen Angaben: Claus Weselsky Foto: Paul Zinken/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Völlig erwartbare „Scholz ist doch überschätzt“-Kommentare.

Und was wird besser in dieser?

Noch vier Wochen und Laschet ist Obama.

„Natürlich stünden wir mit Markus Söder besser da“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume dem Spiegel. Bei all den Sticheleien aus München: Haben Sie langsam Mitleid mit Armin Laschet?

Blume sucht einen Schuldigen für ein moribundes Wahlergebnis der CSU in Bayern. Doch es klingt jetzt so, als wolle man Martin Schulz mit Peer Steinbrück bestrafen.

Die Lokführergewerkschaft GDL fordert von der Bahn ein „verhandlungsfähiges Angebot“ bis Anfang dieser Woche, ansonsten gebe es weitere Streiks. Führen Sie uns bitte mal aus diesem Kopfbahnhof raus?

Die GDL leidet am „Kleiner-Mann-Syndrom“ (Napoleon, Peter Maffay, Armin Laschet). Das Gewerkschaftchen wacht morgens beleidigt auf und wird ab da empfindlicher. Ihr Selbstbild ist angemessen gigantomanisch, sie will alle Bahngewerke vertreten und je dreister die Bahn sie dabei überfährt, desto eher steht alles still. Und das kam so: Erst splitterte sich die Bahn – wie viele Konzerne – in Einzelbetriebe auf. Das bricht die Macht der Einheitsgewerkschaft. Darauf radikalisieren sich kleine elitäre Gewerkschaften – Lokführer, wie anderswo Ärzte, Piloten, auch Journalisten.

Darauf mischt sich der Staat ein: Per „Tarifeinheitsgesetz“ soll nur noch die größte Gewerkschaft abschließen dürfen. Und der größte Gewerkschafter der Welt ist, nach Recherchen von Claus Weselsky: Claus Weselsky. Im Sadomasochismus redet man bei solchen Lagen auch gern von „Tunnelspielen“. Also: Sitzplatzreservierung online für eine Elefantenhorde wäre leichter, doch ein Lösungsansatz wäre, Konzernen die scheinheilige und mutwillige Zersplitterung zu erschweren.

5.688 Menschen seien im ersten Halbjahr des Jahres 2020 aus Deutschland abgeschoben worden, auch nach Afghanistan, so berichten es die Zeitungen der Funke Mediengruppe. Trotz allem business as usual also?

Vor zwei Jahren schwelgte Innenhorst Seehofer in „69 Abschiebungen nach Afghanistan an meinem 69. Geburtstag“. Im ersten Halbjahr 2021 wurden 140 Menschen nach Kabul verklappt, was dem biologischen Alter von Seehofers Ansichten nahekommt. Insgesamt steigt die Zahl wieder, nachdem unter Corona weniger geflogen worden war. Das moralische Dilemma, Menschen an Schurkenregimes auszuliefern, ist unterdes nicht geklärt.

RBB-Moderatorin Marion Brasch hat einen Wahlaufruf für Klaus Lederer, den Spitzenkandidaten der Berliner Linken, mit unterzeichnet. Als Strafe bekommt sie bis zur Bundestagswahl Sendeverbot. Ihr Kollege Jörg Thadeusz hingegen, der eine Kolumne im Wahlkampfmagazin des Berliner FDP-Landesverbands verfasst hat, musste sich dafür nur eine Standpauke anhören und eine Stellungnahme veröffentlichen. Geht das mit öffentlich-rechtlichen Dingen zu?

Achtung, Maximaldisclaimer: Ich kenne, schätze und verehre die KollegInnen, arbeite auch für den RBB und hatte flurfunkende Gespräche zum Thema. Danke, taz, es war schon schwerer, sich komplett unbeliebt zu machen. Versuchen wir’s mal: Ich möchte keines Kollegen Unterschrift oder Besinnungsaufsatz für, sagenwirmal, die AfD sehen. Deshalb ist die einheitliche Regelung – no go für alle und alles – schweren Herzens nachvollziehbar. So sieht es übrigens auch das Justiziariat des RBB. Beide haben verstoßen. Die Begründung, wonach nun die Kulturjournalistin zu sperren sei, der Meinungsmoderator hingegen nicht, ist sportlich. Umgekehrt wäre plausibler falsch.

Im Ergebnis maßregelt man eine Kollegin, die in der DDR mutig die Resolution für Glasnost und Perestroika im SED-Funk unterschrieb. Und begnadigt einen Kollegen, der vor vier Jahren wegen eines Wahlkampfjobs mit Merkel für die CDU schon mal ermahnt worden war. Wahrscheinlich kann man rhetorisch beides hinbiegen: Wer heute im TV eine Viertelstunde parteilichst pro Feminismus, anti Rassismus predigt, wird nicht bestraft, sondern bekommt alle Fernsehpreise. Oder, siehe oben, beide sperren. Das dazwischen ist vom Übel, gibt Mitarbeitenden keine ­Orientierung und – nun ja – hätte eine ziemlich spannende Sondersendung werden können.

Und was machen die Borussen?

Zu wenig in der Abwehr.

Fragen: Rieke Wiemann, waam

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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