„American Horror Stories“ auf Disney+: Wenn Horror auf Camp trifft

Mit dem Spin-off erweitert Ryan Murphy seinen Horrorkosmos. Ironie und Referenzen zur Mutterserie schwächen die Gewalt ab.

Szene aus der Serie: Das Mädchen Scarlett steht auf einem Weg und guckt nach oben

Verliebt in einen Geist: Scarlett (Sierra McCormick) in „American Horror Stories“ Foto: Disney+

Beinahe zehn Jahre ist es nun her, dass die erste Folge von „American Horror Story“ ausgestrahlt wurde. Seitdem ist die eigentümliche Horrorserie von Ryan Murphy („Pose“) und Brad Falchuk („Glee“) zu einem eigenen Kosmos aus über 100 Episoden gewachsen, der in jeder der insgesamt 10 Staffeln in ein völlig neues Szenario einführt.

In einer Serienlandschaft, in der viele Produktionen bereits nach ein oder zwei Staffeln wieder eingestellt werden, dürfte genau in diesem „Sich ständig neu Erfinden“ der Schlüssel für den anhaltenden Erfolg der Serie liegen. Eine „Freak Show“, „Roanoke“, die erste englische Kolonie in Nordamerika, und die Postapokalypse dienten bereits als Setting. Die Klaviatur der Ängste, des Ekels und des Grauens, die „American Horror Story“ darin bespielt, ist entsprechend breit, zeichnet sich aber gleichzeitig durch einen durchziehenden ironisch-verspielten Ton aus, der im starken Kontrast zu den teilweise ausufernden Gewaltdarstellungen steht.

Auch das Spin-off „American Horror Stories“ ist durch diese Gegenüberstellung geprägt. Anders als die Mutterserie erzählt allerdings jede Episode eine eigene Kurzgeschichte, was sie auch für Zuschauende zugänglich machen soll, die noch nicht mit Murphys Werk vertraut sind.

Tatsächlich funktioniert der Ableger, der bereits vor seiner Ausstrahlung um eine zweite Staffel verlängert wurde, als eigenständiges Gebilde – wenngleich das Erkennen zahlreicher Querverweise in das „AHS“-Universum einen Großteil des Sehvergnügens ausmacht.

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Gebrochen durch Queerness, Kink und Camp

So kehren gleich die ersten beiden Folgen in das mittlerweile berüchtigte „Murder House“ zurück, das im Zentrum der ersten Staffel stand. Das schwule Paar Michael und Troy (Matt Bomer und Gavin Creel) zieht mit seiner jugendlichen Tochter Scarlett (Sierra McCormick) darin ein, um es zu einem Übernachtungsziel für Abenteuerlustige umzubauen. Nach und nach werden sie jedoch mit den Geistern derer, die im Laufe der Zeit auf dem Gelände gestorben sind, konfrontiert.

Was nach einer eher konventionellen Horrorprämisse klingt, wird durch Ingredienzen gebrochen, die schon für „American Horror Story“ einen Sonderstatus begründeten, die für seinen unbestreitbaren Neuigkeitswert innerhalb des Genres verantwortlich sind: Queerness, Kink und Camp.

Schnell findet Scarlett im Haus einen Gummianzug, der von ihr Besitz zu ergreifen scheint und sie zu blutigen Rachetaten inspiriert, als sie von Mitschülerinnen in eine demütigende Situation gelockt wird, in der ein vermeintlich privates Gespräch über ihre persönlichen Pornovorlieben ins Internet gestellt wird.

Wie sonst auch, steht dabei der Exzess in jeglicher Hinsicht im Vordergrund: Subtiles, nuancenreiches Erzählen tritt hinter den Anspruch, ein überbordendes, ästhetisches Gesamtkunstwerk zu sein, zurück. Oft hat man den Eindruck, dass die Handlung eine bestimmte Richtung einnimmt, weil sich die Au­to­r*in­nen gedacht haben müssen, dass eine solche Wendung vielleicht nicht kohärent, aber zumindest ziemlich aufregend, verrucht oder überraschend ist.

Natürlich wird aus dem Anwesen eine nette Geister-WG, natürlich beginnt Scarlett eine Liason mit einer Teenieseele aus den Achtzigern, die aussieht wie die Rockröhrenvariante einer Cindy Crawford – was kein Zufall ist, denn mit Kaia Gerber wird sie tatsächlich von der Tochter des besagten Supermodels gespielt –, und natürlich bilden die beiden ein „duo infernale“, das sich fortan gegenseitig beschützt.

„American Horror Stories“, ab Mittwoch, 8. September, wöchentlich eine Episode bei Disney+

Das mag selbst für Genreverhältnisse kein wahrscheinliches Szenario sein – dafür aber eines, das durch die Selbstverständlichkeit, mit der es Abseitiges in den Mainstream erhebt und zelebriert, besticht. Grundlegend Neues fügt „American Horror Stories“ dem Erzählkosmos so nicht hinzu, erweist sich aber zumindest nach drei zur Sichtung zur Verfügung gestandenen Episoden als herrlich schräge Fußnote.

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