Umweltverbände drohen Konzernen: Klimaklage gegen VW und Co.

Umweltverbände fordern von deutschen Autobauern und dem Energieproduzenten Wintershall Dea, ihre Geschäfte zu ändern. Andernfalls wollen sie klagen.

Frau mit gelbem Plakat "Klimakiller Greenpeace "und ein brennendes Auto als Grafik steht auf einem Auto

Greenpeace-Protest gegen BMW auf der IAA in Frankfurt 2019 Foto: Jan Huebner/imago

BERLIN taz | Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wollen mit Klimaklagen gegen deutsche Unternehmen vorgehen. Zunächst wurden VW, Daimler und BMW sowie der Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea aber aufgefordert, ihre Geschäftspolitik freiwillig zu ändern. Die Ankündigung der beiden Verbände erfolgte wenige Tage, bevor am Dienstag die Internationale Automobil-Ausstellung in München eröffnet wird.

Die Umweltverbände verlangen von den Autobauern, dass sie den Verkauf von Pkw mit Verbrennungsmotoren bis 2030 stark reduzieren und ab 2030 ganz einstellen. Wintershall Dea soll bereits ab 2026 keine neuen Öl- und Gasfelder mehr erschließen. Wintershall Dea gehört zu zwei Dritteln dem Chemie-Unternehmen BASF und bezeichnet sich als „führenden unabhängigen Erdöl- und Erdgaskonzern Europas“.

Am Donnerstagabend hat Greenpeace-Anwältin Roda Verheyen ein so genanntes Anspruchsschreiben an Europas größten Autobauer VW geschickt. Wenn der Konzern nicht bis Ende Oktober eine strafbewehrte Unerlassungserklärung abgibt, will sie im Namen der Greenpeace-Geschäftsführer und der Aktivistin Clara Mayer (Fridays for Future) beim Landgericht Braunschweig klagen. DUH-Anwalt Remo Klinger hat ähnliche Schreiben an Daimler, BMW und Wintershall Dea formuliert. Zuständig wären hier die Landgerichte in Stuttgart, München und Kassel.

Die Verbände beziehen sich auf den Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von Ende April, mit dem der Klimaschutz zum deutschen Staatsziel erklärt wurde. Nun sei ein „gesamtgesellschaftlicher Ansatz“ erforderlich, erklärte Anwältin Verheyen. Auch die großen klimarelevanten Unternehmen seien jetzt in der Pflicht.

Ein Prozent der weltweiten CO2-Emissionen durch VW

Die Verbände haben für jeden Konzern ein individuelles Budget errechnet, wie viel CO2-Emissionen das Unternehmen noch verursachen darf, ohne das Ziel des Pariser Klimaabkommens (Beschränkung des Temperaturanstiegs auf „deutlich unter 2 Grad“) zu gefährden. Dabei werden den Unternehmen auch die Emissionen zugerechnet, die die Au­to­fah­re­r:in­nen als Käu­fe­r:in­nen der PKW verursachen. VW sei demnach für rund ein Prozent der CO2-Emissionen weltweit verantwortlich, „mehr als Australien“, betonte Anwältin Verheyen.

Juristisch argumentieren DUH und Greenpeace wie das Bundesverfassungsgericht. Wenn das verbleibende CO2-Bugdet zu schnell aufgebraucht werde, seien ab 2030 massive staatliche Beschränkungen der Freiheit aller Bür­ge­r:in­nen erforderlich. Um diese Freiheits-Einschränkungen abzuwehren, könnten Bür­ge­r:in­nen wie Clara Meyer jetzt schon zivilrechtlich gegen die Unternehmen klagen.

Bür­ge­r:in­nen hätten einen allgemeinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die Autobauer, argumentierte Anwältin Verheyen – und stützt sich dabei auf die über 100 Jahre alten Paragrafen 1004 und 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Unternehmen sind danach „Störer“, die eine Gefahr für wichtige Rechtsgüter anderer Personen verursachen. Sie hätten eine „Verkehrssicherungspflicht“ und müssten daher ihr klimaschädliches Verhalten möglichst schnell einstellen.

Keine rechtlich bindende Versprechen der Konzerne

Verheyen stützte sich bei dieser Argumentation auf das Urteil eines Den Haager Zivilgerichts, das im Mai 2021 den niederländischen Ölkonzern Shell zur Reduzierung seiner CO2-Emissionen um 45 Prozent bis 2030 verpflichtete.

Wenn sich die Unternehmen nicht freiwillig zu einer Änderung ihrer Geschäftspolitik verpflichteten, sei eine gerichtliche Verurteilung erforderlich, betonte Anwältin Verheyen. Schließlich hätten die Unternehmen bisher keinerlei rechtlich bindende Versprechen zum Ausstieg aus dem Verkauf von Verbrennungsmotoren gemacht.

Letztlich sei die von den Autobauern verlangte Neuorientierung schon deshalb zumutbar, so Verheyen, weil die Konzerne sich aufgrund der allgemeinen Entwicklung ohnehin ändern müssten. „Wir helfen ihnen, sich rechtzeitig neu aufzustellen, damit es am Ende kein schockartiges Erwachen gibt“, betonte die Anwältin.

Die Ankündigung ist sicher Thema auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA), die ab kommendem Dienstag in München mit neuem Konzept stattfindet. Es soll bei der „IAA Mobility“ genannten Show in diesem Jahr nicht mehr nur um Autos, sondern um Mobilität an sich gehen. Während der Messe wird mit Demonstrationen und Blockaden von KlimaaktivistInnen gerechnet. Die Münchner Polizei erwartet den größten Einsatz in 20 Jahren.

„Die IAA Mobility geht auch auf die Auto-Kritiker zu und hat sie nach München eingeladen“, sagte der Münchner Messe-Chef Klaus Dittrich der Augsburger Allgemeinen. „Wenn die Kritiker erkennen, dass die IAA keine reine PS-Show mehr ist, sondern auch Platz für Fahrradhersteller und andere Verkehrsträger bietet, müssen sie diese neue Mobilitätsmesse gut finden.“

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