Rassistische Aussagen von Minderheiten: Nützliche Nestbeschmutzer

Rechte rekrutieren gern Verbündete, die selbst Migrationshintergrund haben. Damit versuchen sie, Stereotype zu untermauern.

Ein Vogelnest

Eine Person kann längst nicht für eine ganze Gruppe sprechen Foto: Bernard Jaubert/imago

„Der Islam hat sich noch nie in eine andere Kultur integriert und wird es auch nicht in Europa“,verkündete Autor Ahmad Mansour in einem Podcast der FAZ. Eine steile Behauptung. Würde Mansour Meier oder Schmidt heißen, hätte er vermutlich mehr Gegenwind dafür bekommen. Zumindest würde kritisch hinterfragt werden, woher seine Expertise denn stammt, wo er weder Historiker noch Islamwissenschaftler ist.

Mansour ist nicht gerade bekannt für den hohen Grad an Wissenschaftlichkeit seiner Bücher. Diese bestehen mehr oder weniger aus Behauptungen und Anekdoten. Seine Expertise scheint tatsächlich darin zu bestehen, dass er Araber ist und „früher selbst Islamist war“, wie er in Interviews erzählt. So wird er auch in dem Podcast vorgestellt: Er habe aufgrund seiner Herkunft eine „interessante Perspektive“. Damit haben die Macher der Sendung recht. Mansour ist ein interessanter Mensch.

Das Problem ist nur, dass von den Millionen Muslimen in Deutschland viele eine interessante Geschichte haben, die wenigsten aber nach ihrer Meinung gefragt werden. Leute dagegen, die aus einer Minderheit stammen und herrschende Feindbilder über diese Minderheit bestätigen, haben oftmals sehr viele Fans und werden per se zu Experten erklärt.

Rassistische Aussagen werden instrumentalisiert

Menschen mit Migrationsgeschichte lassen sich nämlich leicht vom Rassismusvorwurf reinwaschen, auch wenn sie noch so rassistische Aussagen machen. Das nutzen rechte Gruppen für sich. So teilte beispielsweise die rechtsextreme NPD mehrfach ein Video mit dem Untertitel: „Was Deutsche sich nicht zu sagen trauen“. Darin erklärt der deutsch-ägyptische Politologe und „Islamkritiker“ Hamad Abdel-Samad die „Wahrheit über den Islam“.

Eine alarmierende „Wahrheit“ über einen aggressiven und rückschrittlichen Islam, ganz im Sinne der NPD. Auch die AfD lud Abdel-Samad schon als Sprecher ein. Eine ähnliche Rolle spielt der schwarze AfD-Politiker Achille Demagbo. Er ist der Meinung, „Multikulti“ sei gescheitert. In einem Interview mit der Bild-Zeitung erklärte er außerdem die Zuwanderung von Flüchtlingen zur „Masseninvasion“.

Was auffällt: Die Stimme eines Schwarzen, der behauptet, in Deutschland gebe es keinen nennenswerten Rassismus, zählt in den Augen der Rechten mehr als Tausende Stimmen von schwarzen Menschen, die betonen, dass Rassismus in Deutschland ein schlimmes Problem ist. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen „Kronzeugentum“ genannt. Kronzeugen der Anklage werden von allen Anklagepunkten freigesprochen, solange sie nur die Anklage stärken.

Die Annahme dahinter ist die, dass „sich Kulturen aus dem Inneren heraus kompakt verstehen ließen“, so die Historikerin Yasemin Shooman. Das gab es schon früher. Vor einigen Jahren hießen diese Kronzeugen noch Necla Kelek oder Ayaan Hirsi Ali, die den Islam in der NZZ als „Todeskult“ bezeichnen durfte, oder Betty Mahmoody, deren „Insider-Roman“ und Bestseller „Nicht ohne meine Tochter“, vollgestopft ist mit rassistischen Bildern von stinkenden und triebhaften Muslimen.

Auch in den USA gibt es Leute wie den „Legendary Black Redneck“ Joel Patrick. Auf Instagram hat er Hunderttausende Follower. Er trägt gerne blütenweiße Cowboyhüte, fährt einen riesigen Geländewagen und trägt T-Shirts mit nationalistischer Botschaft, im Sinne von „Wer sein Land nicht liebt, soll es verlassen“. Weiße Privilegien bezeichnet er als Mythos und rassistische Polizeigewalt sei quasi nicht existent. Er gehört damit zur Gruppe der Black Republicans.

Die Rechte bedient sich bereitwillig an Leuten wie Patrick, denn wie könnten die rassistisch sein? Tatsächlich liegt aber auf der Hand, dass auch schwarze Menschen rassistische Ideologie, dass Muslime antimuslimischen Rassismus und Frauen patriarchale Ideologie verinnerlicht haben können. Es gab und gibt schon immer frauenfeindliche Frauen, homophobe Schwule und sogar antisemitische Juden. Beispielsweise den Österreicher Arthur Trebitsch.

Dieser unterstützte zur Zeit der Nationalsozialisten die völkische Bewegung in Deutschland finanziell. Er soll außerdem als Autor von Hitler geschätzt worden sein. In einem Vortrag behauptete er beispielsweise, „Verjudet, das ist entlebendigt“. Der Geist des Juden nehme, was der andere schaffe. Der deutsche Geist sei dagegen der freie, schaffende Geist. Natürlich soll hier keinesfalls Ahmad Mansour mit Trebitsch gleichgesetzt werden. Es geht vielmehr darum:

Nur weil jemand Vorurteile gegen die eigene Gruppe bestätigt, bedeutet das nicht, dass sie oder er per se recht hat. Trebitsch ist dafür ein drastisches Beispiel. Sonst hätten übrigens auch alle Deutschen recht, die nur Schlechtes über Deutsche zu sagen haben. Dennoch ist es eine gute Sache, dass auch Stimmen wie die von Mansour oder Abdel-Samad gehört werden. Das ist Teil einer pluralen Gesellschaft. Bedauerlich ist jedoch, dass so viele andere Stimmen gar nicht oder weniger gehört werden.

Zu diesen Stimmen gehört der Autor Amed Sherwan. Der stammt aus dem Irak und hat das Buch „Kafir. Allah sei Dank bin ich Atheist“ geschrieben. Sherwan wurde 2020 von Facebook zeitweise gesperrt, weil er ein Foto veröffentlichte, auf dem er einen anderen Mann vor der Kaaba in Mekka küsst. Auch Sherwan wird von rechtsextremen Muslimen bedroht. In Interviews und Artikeln berichtet er, dass ihm immer wieder Rechtsnationale begegneten, die seine Aktionen loben und davon ausgehen, dass er als Ex-Muslim rassistische Propaganda gegen Mus­li­m*in­nen unterstütze.

Sobald er klarmacht, dass er auch gegen die rassistische Propaganda sei, beschimpften und bedrohten sie ihn. Rechte Kräfte würden ganz bewusst Ex-Muslime werben, als Kronzeugen für sie gegen den Islam auszusagen. Leute, die sich gegen die tatsächliche oder zugeschriebene „eigene“ Gruppe wenden, sind unzweifelhaft mutige Menschen, deshalb aber nicht automatisch im Recht. Ihre Herkunft macht sie keineswegs zu Expert*innen.

Niemand sollte sich zudem das Recht herausnehmen, für die gesamte Gruppe zu sprechen. Ob ihre Argumente stichhaltig sind, muss an Hand der Argumente selbst geprüft werden, nicht an Hand der Herkunft der Sprechenden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der Zeit kommt einiges zusammen: Ich war Kickboxer, Heilerziehungspfleger, Türsteher und habe Parties organisiert. Nun vermittle ich angehenden Erziehenden Wissen zu Sozialisation und verschiedenen Diskriminierungsformen. Außerdem schreibe ich Bücher über menschliche Grenzfragen wie: Warum prügeln sich Leute oder warum tun gute Menschen schechte Dinge? Und ich schreibe politische Texte für verschiedene Zeitungen.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.