Johannes Vogel beantwortet Fragen: Ist der Kapitalismus die Lösung?

Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn blöd findet, Johannes Vogel? Der FDP-Politiker füllt den taz FUTURZWEI-Fragebogen aus.

Foto: Marlena Waldthausen

Der neue taz FUTURZWEI-Fragebogen (with a little help from Max Frisch, Fischli/Weiss und NYT Book Review)

Johannes Vogel, 39, ist MdB und stellvertretender Vorsitzender der FDP. Sein Wahlkreis liegt im Sauerland. In den Sitzungswochen lebt er in Berlin.

Wer hat Ihr Denken beeinflusst?

Am stärksten natürlich meine Familie. Die gleichberechtigte Partnerschaft meiner Eltern, ihr Glaube und Arbeitsethos, Offenheit für Vielfalt und eine zynismusfreie Neugier auf die Welt. Da hier natürlich auch intellektueller Einfluss gefragt ist: etwa Hannah Arendt beim Denken ohne Geländer, Mark Lilla beim Verständnis der antimodernen Bedrohung, Pankaj Mishra bei der Beschäftigung mit Asien, Raj Chettys Forschung zu sozialer Durchlässigkeit und Ralf Dahrendorf beim Nachdenken über die Freiheit.

Ihre Lieblingsdenkerin, die sonst niemand kennt?

Amani Abuzahras Perspektive eines muslimischen Feminismus kennen jedenfalls noch nicht genug.

An welchem gefährlichen Gedanken denken Sie rum?

Ist der Kapitalismus womöglich gar nicht das Problem, sondern die Lösung? ;)

Welche Diskussion ist komplett festgefahren?

Aktuell die unerbittliche, gereizte Polarisierung bei der Debatte über geeignete und verhältnismäßige Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Wie so oft tun wir uns schwer mit Ambiguitätstoleranz. Aber ein gemeinsames Ziel heilt nach meiner Überzeugung alle Wunden, in dem Fall das Impfen.

Welche Position langweilt Sie?

Der Zeitgeist sei das Problem.

Welche drei Menschen der Zeitgeschichte würden Sie zu einem Abendessen einladen wollen?

Özlem Türeci, Michelle Obama und David Chipperfield. Gerne auch mit Begleitung.

Wen finden Sie gut, obwohl Ihre Peergroup ihn oder sie blöd findet?

Jesus von Nazareth.

Welche drei Bücher würden Sie als Deutschlehrer/-in lesen lassen?

Amanda Gormanns Gedicht The Hill we climb. Der blaue Lotos von Hergé. Winston Churchill von Sebastian Haffner.

Welche Künstler/-innen sind auf der Höhe der entscheidenden Fragen?

Baz Luhrmann in Everybody’s Free.

Die überschätzteste Figur der Gegenwart überhaupt.

Wladimir Putin. Nicht in seiner Gefährlichkeit, aber in dem abstrusen Heilsversprechen, das ihm auch hierzulande zu viele abnehmen.

Warum scheuen Linke den Humor?

Die Guten nicht. Gilt generell.

Wissen Sie, was Sie hoffen?

Ich glaube ja.

Findet Sie das Glück?

Fast jeden Tag. Wenn ich es nicht aus den Augen verliere.

Wem wären Sie lieber nie begegnet?

Das hat noch niemand geschafft. Hoffentlich bleibt es so.

Wann haben Sie aufgehört zu glauben, dass Sie klüger werden (oder glauben Sie es noch)?

Der Weg zur Weisheit ist vermutlich, nie zu glauben, dass man sie bereits erreicht hat.

Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder nein?

Im Rahmen der Verfassung, mit demokratisch erlangter Macht und der Möglichkeit der Korrektur durch die Mehrheit nach spätestens fünf Jahren: ja. Auch das Notwendige populär machen zu können, ist ja der Sinn der repräsentativen Demokratie.

Wenn Sie und alle, die Sie kennen, tot sind – interessiert Sie dann die Weiterexistenz der Menschheit noch?

Wer sich nicht dafür interessiert, was er kommenden Generationen hinterlässt, sollte jedenfalls nicht in die Politik gehen. Das gilt vom stabilen Klima bis zum funktionierenden Sozialstaat bei der Rente. Freiheit nur für sich selbst und nicht auch für andere zu wollen, wäre Egoismus. Die große Frage ist natürlich, ob und wie ich das dann noch verfolgen kann.

Lernen Sie von einer Liebesbeziehung für die nächste?

Ja, alles andere wäre ja auch schlimm. Mittlerweile aber nach meiner Überzeugung genug, um in der Beziehung weiter zu lernen. Sonst hätte ich nicht geheiratet.

Worum geht es im Leben eigentlich?

Den eigenen Traum zu finden und zu leben.

Gibt es zu viel des Guten?

In Köln sagt man treffend: Mach es gut, aber nicht zu oft.

Wie alt möchten Sie werden?

So alt, dass ich mich von meinen künftigen Enkeln so verabschieden kann, wie mein Großvater es von uns konnte.

Es gibt nur Gangster oder Trottel. Was sind Sie dann?

Im Film: der Gangster.

Dieser Beitrag ist in taz FUTURZWEI N°17 erschienen.

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