Ökostrom wird teurer: Grüner, aber nicht günstiger

Im Herbst wird die Stromrechnung vor allem durch die gestiegenen CO2-Preise teurer werden. Das gilt auch für Ökostrom.

Schwalben auf einer Stromleitung

Die Schwalben verschwinden und der Strom wird teurer Foto: Astrid/Panthermedia/imago

Die Klimapolitik erreicht die Stromrechnung. Wenn im Spätherbst die Versorger ihre Preise für 2022 verkünden, dürfte in vielen Fällen der Aufschlag deutlich sein. Der Mehrpreis wird sich – neben gestiegenen Rohstoffpreisen – zu einem guten Teil aus dem gestiegenen CO2-Preis ergeben, der bei Verstromung von Kohle und Erdgas fällig wird. Diese Kosten werden die Stromversorger an ihre Kunden weitergeben.

Das scheinbar Paradoxe dabei: Auch Ökostrom, offiziell als CO2-frei deklariert, wird durch steigende CO2-Preise teurer. Aber auch das ist bei genauer Analyse nur eine Frage ökonomischer Logik. Seit Monaten klettern die Notierungen im europäischen Emissionshandel, was nur folgerichtig ist, weil die EU die CO2-Budgets aus Gründen des Klimaschutzes verknappt. So kostete der Ausstoß einer Tonne des Treibhausgases im Juli im Mittel fast 54 Euro – der Preis lag damit so hoch wie nie zuvor seit dem Start des Emissionshandels im Jahr 2005. Im August liegt der CO2-Preis nun abermals etwas höher.

Da es noch immer die fossilen Kraftwerke sind, deren Kostenstruktur die Preise am Terminmarkt der Strombörse wesentlich prägt, steigen hier die Preise, sobald das CO2 teurer wird. Und so durchbrach der Börsenpreis für Stromkontrakte in der Grundlast für das Jahr 2022 inzwischen schon die Marke von 85 Euro pro Megawattstunde. Über Jahre hinweg hatte der Wert nur bei der Hälfte gelegen. Rein rechnerisch müsste sich allein der Anstieg des Börsenpreises, der seit Jahresbeginn stattfand, im kommenden Jahr auf der privaten Stromrechnung mit rund 4 Cent je Kilowattstunde niederschlagen – ein Plus auf den Strompreis von gut 10 Prozent.

Denn die Energieversorger decken sich am Terminmarkt – die Strombörse EEX ist hier die Referenzgröße – mit dem Strom ein, den sie ihren Kunden später liefern. Unternehmen, die frühzeitig einen größeren Anteil ihres Bedarfs für 2022 eingekauft haben, werden zum kommenden Jahreswechsel womöglich noch mit moderateren Preisaufschlägen operieren können. Wer jedoch spät gekauft hat oder gar jetzt noch Kontingente für 2022 einkaufen muss, der dürfte zum Jahreswechsel seinen Preis spürbar erhöhen müssen.

Ökostrom ist nicht gelöst vom Strommarkt

So weit, so plausibel. Doch nun wird es komplexer: Ökostromkunden, die glauben, sie seien vor CO2-bedingten Preiserhöhungen gefeit, weil ihr Versorger einen CO2-freien Strommix ausweist, irren sich. Denn auch auf jede Ökostromrechnung wird der CO2-Preis in voller Höhe durchschlagen.

Das ist ebenfalls ökonomische Logik – und zwar schlicht, weil der Ökostromhandel nicht losgelöst ist vom allgemeinen Strommarkt. Ein Beispiel: Der Betreiber einer großen Photovoltaikanlage verkauft seinen Strom zu Marktpreisen an einen Händler – also ohne EEG-Förderung (was übrigens immer mehr Anlagenbetreiber tun, weil sie damit oft besser fahren). Der Erzeuger hat nun natürlich keinen Anlass, seinen „Grünstrom“ günstiger abzugeben als zum Preis des „Grau­­stroms“ an der Börse. Das heißt: Steigt der Preis von fossil erzeugtem Strom, muss ein Käufer – zum Beispiel ein Ökostromanbieter – für den Ökostrom ebenfalls entsprechend mehr bezahlen. Ökonomen sprechen von Opportunitätskosten.

Thema gewinnt an Bedeutung

Das Thema dürfte in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, denn die CO2-Preise werden – wenn man die politischen Signale auf nationaler und europäischer Ebene zum Klimaschutz ernst nimmt – weiter steigen. Die Unternehmensberatung r2b energy consulting errechnete in einer Studie für den Verband kommunaler Unternehmen im Frühjahr einen Preis von 300 Euro pro Tonne für das Jahr 2030. Dies sei ein „zum Green Deal kompatibles Preisniveau“. Verbunden wäre damit natürlich wiederum ein abermals rapider Anstieg der Strompreise.

Der Einfluss des CO2-Preises auf die Strompreise wird nämlich so lange erhalten bleiben, bis die fossilen Energien zur Sicherstellung der Versorgung nicht mehr länger benötigt werden. Das kann man heute am Spotmarkt beobachten, an dem kurzfristig verfügbare Strommengen gehandelt werden. In einzelnen Stunden, in denen der Bedarf bereits komplett aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann, hat der CO2-Preis schon heute keinen Einfluss mehr auf das Niveau des Strompreises. In Stunden, in denen Kohle oder Gas noch benötigt werden, ist der Einfluss dafür entsprechend groß.

So werden auch Ökostromkunden sich mit ihrer Stromrechnung wohl erst dann von den CO2-Preisen abkoppeln können, wenn die gesamte Stromerzeugung CO2-frei erfolgt.

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