Impfbilanz im Fußball: Keine Vorbilder auf dem Rasen

Etliche Bundesligateams verfügen nicht über einen vollständig geimpften Kader. Wieso verzichten Fußballprofis darauf, sich und ihr Umfeld zu schützen?

Zwei Mainzer Profis vor der Fantribüne

Fast wie früher: Mainzer Profis feiern mit Fans Foto: Thilo Schmuelgen/reuters

Die Überraschung des ersten Spieltags war wohl Mainz 05. Und damit ist nicht der Sieg gegen Rasensport Leipzig gemeint, sondern die Begleitumstände: Mainz hatte nach einem Corona-Ausbruch zehn Spieler und drei Leute aus dem Staff in Quarantäne schicken müssen. Acht der Spieler waren wohl gar nicht infiziert. Sie waren schlicht: noch nicht geimpft.

Warum nicht? Faulheit, Querdenkertum, Scheißegalität? Dazu macht Mainz keine Angaben. Damit sind sie nicht allein: Es gibt nur zwei Vereine, die derzeit einen vollständig geimpften Kader vermeldet hatten, nämlich der FC Augsburg und der 1. FC Köln. Was mit dem Rest ist: keine Ahnung. Es gibt Statistiken zu jedem Spieler, bei welcher Windstärke und Sonneneinstrahlung er den Ball lieber mit dem Außenrist mitnimmt, wie erfolgreich er damit ist und welche Auswirkungen das auf seinen Hüftbeuger hat, aber dazu gibt es keine öffentlichen Zahlen.

Die Coronabilanz des Fußballs ist bis hierhin verheerend. Auch als eingefleischter Fan frage ich mich inzwischen, was das alles eigentlich soll. Die Europameisterschaft war ein Motor der Pandemie. Eine Studie in Schottland hat festgestellt, dass zum Höhepunkt der dritten Welle mehr als die Hälfte der gemeldeten Fälle entweder ein EM-Event besucht hatte oder eine Kontaktperson von Be­su­che­r*in­nen gewesen ist. Und hier wird noch erzählt, wie sicher die Stadien sind; als ginge es nur um die Situation in den Stadien und nicht auch um private Zusammenkünfte; als wäre Delta nicht so ansteckend wie Windpocken.

Jetzt springen bei den Post-Match-Interviews ständig die Spieler durchs Bild und freuen sich, weil alles wieder so ein bisschen mehr ist wie früher. In den Hintergrundinterviews reden die Funktionäre davon, dass man schon auch realistisch bleiben müsse, und meinen damit ihre finanziellen Kennzahlen. Wann immer ein Funktionär sagt, man müsse realistisch bleiben, ist in der nächsten Transferperiode der nächste Starstürmer eine Million Euro teurer. Und Hans-Joachim Watzke warnt davor, dass demnächst wohl auch Weihnachten ausfallen werde, wenn man nicht langsam zur Normalität zurückkehre.

Arrogante Selbstgefälligkeit

Möglich, dass jetzt auch die Zu­schaue­r*in­nen diese Art von dreistem Unfug und arroganter Selbstgefälligkeit nicht mehr verdrängt kriegen. Während die Profis darauf verzichten, sich selbst, ihr Umfeld und ihre Gegenspieler zu schützen, werden die Eltern im Land gezwungen, ihre Kinder ungeimpft in Schulen zu schicken, die größtenteils nicht pandemiegerecht ausgestattet wurden. Das kann schon mal den Spaß an der „Sportschau“ verderben. Die Einschaltquoten sind dementsprechend: Weniger als eine Million Leute haben Sky-Konferenz gekuckt letztes Wochenende, der schwächste Wert seit Jahren. (Könnte aber auch sein, dass es am Wetter lag.)

Es ist noch nicht so lange her, da regte Karl-Heinz Rummenigge an, Bundesligaspieler bitte priorisiert zu impfen. Schließlich hätten die eine Vorbildfunktion. Eine Vorbildfunktion, die sie sich auch dadurch erarbeitet hatten, dass sie die Pandemie über durchspielen durften, während in anderen Kulturbranchen die Veranstaltungen abgesagt wurden und viele Kulturräume jetzt vor der Pleite stehen.

Aber während auf den Rängen nur Geimpfte und Genesene zugelassen sind, springen auf dem Rasen lauter Ungeimpfte rum. Würde man Rummenigge beim Wort nehmen, wäre es ein guter Zeitpunkt, tatsächlich ein Exempel zu statuieren: Was für die Zu­schaue­r*in­nen gilt, gilt für die Spieler schon mal doppelt. Das heißt: Keine Ungeimpften im Stadion. Auch nicht auf dem Rasen.

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